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Die Fahrt nach Feuerland

Die Fahrt nach Feuerland

Titel: Die Fahrt nach Feuerland
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Bemerkung: »Ich habe ein Patent anzumelden: Fische, mild gesalzen!«
    Er saß nackt draußen, sein Körper war durch die starke Verdunstung mit weißen Salzkristallen überdeckt. Er nahm einen frisch gefangenen Fisch, zerriß ihn, holte mit den Fingern die Innereien heraus, schabte das Fleisch an seinem salzverkrusteten Leib entlang und warf es Lucrezia zu. Als sie den Fisch mit Schwung wieder hinaus ins Meer schleuderte, lachte er dröhnend. »Wie satt sie ist! Verzichtet auf Delikatessen! Leben wir nicht wie im Schlaraffenland?!«
    Es konnte geschehen, daß er in die Insel hineinkam, Lucrezia packte, auf den Rücken warf und vor den Augen der anderen schamlos nahm. Beim ersten Mal hatte sich Lucrezia verzweifelt gewehrt, aber dann gewöhnten sich alle daran. Alle Scham fiel ab, die anerzogenen Moralbegriffe lösten sich auf. Wenn Trosky sich zu Lucrezia rollte, saßen Helena und Peter daneben und lasen oder hörten Musik aus dem Radio oder schwammen im Meer, mit einer Leine zur Insel gesichert.
    Einmal, als Trosky allein in der See schwamm, sagte Lucrezia zu Losskow: »Er kann schwimmen, aber er ist kein guter Schwimmer. Auf gar keinen Fall ein Langschwimmer. Das hat er mir selbst gesagt.«
    »Keine Angst«, entgegnete Losskow ahnungslos. »Er hängt ja an der Leine.«
    »Wenn man sie durchtrennt …«
    »Luzi!« Losskow starrte Lucrezia betroffen an. »Vergiß es! Schnell!«
    »Ich hasse ihn! Ich hasse ihn! Wenn er auf mir liegt, möchte ich eine Bombe sein, die mit ihm zerplatzt! Manchmal denke ich, ich könnte es so machen, wie ich es in einem japanischen Film gesehen habe: Da liebten sich zwei, und als er zum Höhepunkt kommt, stößt sie ihm ein langes Messer in den Rücken.«
    Sie blickten hinaus aufs Meer, wo Trosky von den Wellen getragen wurde, tauchte, prustend hochkam und übermütig lachte.
    »Jetzt …«, sagte Lucrezia gepreßt. »Jetzt könnten wir das Seil kappen. Wir treiben schneller, als er schwimmt. Peer, nur ein Hieb mit dem Messer, und wir sind ihn los! Bitte, bitte! Du bist ein Mann!«
    »Aber kein Mörder!« Er legte beruhigend den Arm um Lucrezia. Sie begann zu zittern und weinte leise. »Hast du mit Blondie darüber gesprochen?«
    »Ja. Sie wartet darauf, daß Trosky sie anfällt. Was würdest du dann tun?«
    Losskow schwieg. Ja, was würde ich tun, fragte er sich. Trosky doch umbringen?
    Einen Augenblick dachte er daran, was geschehen würde, wenn man sie nicht auffischte, wenn der Proviant zu Ende war, auch das Frischwasser, und die Kraft nicht mehr ausreichte, zu angeln und Regenwasser aufzufangen – die einzige Rettung vor dem Verdursten.
    Der Gedanke war so grauenhaft, daß er ihn sofort verdrängte und sich wieder den ›Hoffnungsspruch‹ vorsagte wie ein langes Gedicht, das er auswendig lernen mußte:
    »Sie suchen uns. Sie finden uns. Sie müssen uns finden.«
    Trosky schwamm zur Insel, zog sich hinauf und dehnte die Muskeln. Dann griff er nach Lucrezia, zog sie an den langen schwarzen Haaren an sich, wälzte sich über sie und sagte fröhlich: »So ein Bad ist wie ein Jungbrunnen! O verdammt, ich fühle mich munter wie sechs Bullen der Langhornrasse.«
    Während er auf ihr lag, starrte Lucrezia mit weiten Augen Peter von Losskow an. Gib mir ein Messer, schrie dieser Blick. Bitte, bitte, gib mir ein Messer, ein ganz langes Messer, das bis in sein Herz reicht!

    Der 27. Tag.
    Bei Helena und Lucrezia zeigten sich die ersten Geschwüre am Körper.
    Obwohl sie immer duschten und sich abfrottierten, setzte sich das Meersalz fest. Es war stärker und allgegenwärtig. Nicht nur in den Wellen, auch in der Luft, in den feinen Tropfennebeln sich überschlagender Wogen. Es war überall, erst unsichtbar, dann, nach dem Verdunsten des Wassers, als feine weißliche Schicht.
    Die Haut brannte, platzte auf, rötete sich, blutete träge. Und überall kam das Salz hin, fraß sich hinein, in die Poren, in die Wunden, in die Schleimhäute – es gab kein Entrinnen. Helena bedeckte die ersten Schwären mit Salbe, aber was half das schon! Das Salzwasser war aggressiver. »Die Variante ist gar nicht so übel«, sagte Trosky, als er nach zwei Tagen mit einem Messerrücken die Salzkruste von sich schabte. »Wir werden nicht verdorren oder als Skelette antreiben, sondern fein gepökelt der Nachwelt erhalten bleiben.«
    »Es müßte regnen.« Losskow blickte in den wolkenlosen Himmel. Die Sonne strahlte unentwegt vom Morgen bis zum Abend. Trotzdem war es kühl, kaum 15 Grad, das Meer fühlte sich eisig
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