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Die facebook-Falle

Die facebook-Falle

Titel: Die facebook-Falle
Autoren: Sascha Adamek
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ich ihm auch mein Passwort geben. Na ja, ich dachte, er ist doch meine bester Freund, das war dann wohl zu viel Vertrauen. Ich löschte ihn als Freund und änderte sofort mein gefälschtes Profil und natürlich mein Passwort.«

    In ihren Studien kommt Catarina Katzer mit ihren Kollegen zu dem Ergebnis, das zwischen 30 und 40 Prozent aller 10 – bis 19-jährigen entweder als Täter oder als Opfer mit Cyberbullying oder Cybermobbing zu tun haben. Im Unterschied zum Mobbing im realen Leben sei einem Teil der Täter aber oft nicht bewusst, was sie anrichten. »Sie sehen ihr Opfer nicht und können so weder an der Gestik, Mimik noch an Worten erkennen, dass ihr Opfer verletzt ist. Dementsprechend fällt es ihnen natürlich auch leichter, zum Täter zu werden«.
    Die technischen Fertigkeiten der Computerkids sind inzwischen so ausgefeilt, dass selbst Erwachsene auf ihre Manipulationen hereinfallen, wie der Fall einer 14-jährigen Schülerin zeigt. Offenbar waren die Täter irgendwie an das Facebook-Passwort des Mädchens gelangt, denn sie entfernten ihr Profilbild und ersetzten es durch eine Fotomontage. Sie zeigte das Gesicht des Mädchens über einen erigierten Penis gebeugt. Entsprechend änderten die Täter auch die Angaben zu ihren (sexuellen) Vorlieben. Anschließend kopierten sie das manipulierte Profil und verschickten es an Lehrer und alle ihre Freunde und Bekannten. Der nächste Schultag war eine Hölle für die 14-Jährige, denn schon auf dem Schulhof wurde sie als Schlampe, Hure und Nutte beschimpft. Niemand sah sie an, als sie die Klasse betrat. Eine Freundin erzählte ihr dann, was passiert war, aber zunächst wollten selbst die Eltern des Mädchens die Geschichte nicht glauben, weil das Profilbild täuschend echt wirkte.
    Leider gebe es gerade unter männlichen Jugendlichen eine »Art Trophäenjagd, wer die schönsten und geilsten
Aufnahmen seiner Freundin hat«, berichtet Katzer. Und vom Handy bis ins weltweite Netz ist es nur ein Mausklick. So erging es einer 15-Jährigen aus der Nähe von Köln. Ihr Freund hatte sie gefragt, ob er beim Sex ein Video von ihnen drehen dürfe. Sie hatte nichts dagegen. Dass dieses Video nach der Trennung von diesem Freund im Netz landen würde, hätte sie natürlich nie vermutet. Das Filmchen machte so schnell die Runde an ihrer Schule und im gesamten Dorf, dass die Eltern beschlossen, mit ihrer Tochter wegzuziehen.
    Abu Ghraib an deutschen Schulen
    Das Internet macht uns nicht nur zu Publizisten unserer privaten Wirklichkeit, es macht uns auch zu Kameraleuten. Und die Möglichkeit, alles und jedes in »Echtzeit« aufzunehmen und ins Netz zu stellen, weckt bei manchen die niedrigsten Instinkte. Das irakische Gefängnis Abu Ghraib, in dem US-Soldaten Häftlinge erniedrigten und ihre Misshandlungen per Video dokumentierten, lässt grüßen. So erzählt Catarina Katzer von einem 15-jährigen Jungen, den seine Mitschüler auf der Schultoilette auszogen. Anschließend hätten sie ihn mit dem Kopf in die Kloschüssel gedrückt und seinen nackten Körper mit Wasser bespritzt. Das mit einem Handy gedrehte Video von der Tortur sei später herumgeschickt worden und schließlich auf der Seite einer Facebook-Gruppe gelandet.
    81 Prozent der 14- bis 19-Jährigen sind laut der aktuellen Online-Studie von ARD und ZDF in digitalen sozialen Netzwerken
wie SchülerVZ, Schueler.CC oder Facebook aktiv. 13 Zur Anerkennung in der Schulklasse gehört längst auch die Netzpräsenz. »Das Netz wird aus meiner Sicht immer mehr zum Sozialisationsmedium«, so Katzer. »Wenn Jugendliche nicht in sozialen Netzwerken sind, sind sie out und das nicht nur in sozialen Netzwerken, sondern sie gelten auch unter Schulfreunden in der realen Welt als Outsider.«
    Aus diesem Grund sehen Opfer von Cyberbullying häufig alle »Fluchtwege« versperrt. Denn wer sich abschaltet, stellt sich noch weiter ins Abseits. Und trotzdem ist dies im Zweifel der sinnvollste Ausweg für Menschen, die dem Druck nicht länger standhalten. Die digitale Gesellschaft hat längst ein dichtes Netz aus psychosozialen Kontrollmechanismen über alle gespannt, die sich mit ihren Profilen im Internet präsentieren. Und natürlich steigert das die Erwartungen an die Ehrlichkeit. Wo man früher bei einer Bewerbung unrühmliche Lebens- oder Berufsphasen einfach weglassen konnte, ohne dass es auffiel, hat der digitale Mensch dazu keine Chance. Es kommt heraus, spätestens wenn irgendein versierter Personalchef via Google nach Informationen
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