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Die facebook-Falle

Die facebook-Falle

Titel: Die facebook-Falle
Autoren: Sascha Adamek
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Geschichten aus dem Internet uns besonders erstaunen, mag an der Neuartigkeit dieses Mediums liegen. Wenn wir uns bequem zurückgelehnt einen Tatort im Fernsehen ansehen, müssen wir nicht fürchten, selber umgebracht zu werden. Wenn wir mit der gleichen Lässigkeit die Bühne des Internets betreten, können wir hingegen sehr wohl verletzt, gebrandmarkt oder getilgt werden wie im richtigen Leben. Denn was wir im Netz tun, ist nur ein Spiegelbild unseres realen Verhaltens, und uns treiben die gleichen Emotionen an wie im realen Leben. Verletzte Eitelkeit, Neid oder Hass lassen Menschen auch virtuell boshaft und verleumderisch agieren. Oder verleiten sie gar, Straftaten zu begehen. Im »echten« Leben mögen wir uns über Menschen freuen, die uns bewundern. Wir lieben das Gefühl der Gruppenzugehörigkeit, das Gefühl, dass andere Menschen unsere Interessen teilen. Auf Facebook kann das

    Wort »Fan« oder »Gruppe« einen teuflischen Beigeschmack erhalten. Der scheinbar sichere Ort hinter dem eigenen Rechner verlockt Stalker und Mobber, im Netz zu tun, was sie im realen Leben niemals wagen würden: andere Menschen verletzen, entstellen, vernichten. Zumal sie wissen, dass sie niemanden »real« umbringen. Nur beinahe. Doch manchmal eben tatsächlich »real«.
    Wenn Zeitungen über Cybermobbing berichten, fällt meist der Name Holly Grogan. 9 Holly war 15 Jahre jung, als sie in der englischen Stadt Gloucester von einer Brücke in den Tod sprang. Ihre Eltern waren überzeugt davon, dass ihre Tochter im Internet gemobbt worden war und deshalb den Freitod gewählt habe. Holly Grogan war in drei sozialen Netzwerken aktiv, neben Facebook auch in MySpace und Bebo. Mehrere Mädchen hätten Holly auf ihrer Facebook-Seite dauernd beschimpft, berichteten Freunde von ihr. Aber dabei blieb es nicht: Auch in der Schule wurde sie stigmatisiert – ihr virtuelles und ihr reales Leben wurden ihr zur Hölle gemacht. Funktioniert mitunter die Flucht in virtuelle Welten, um der realen zu entfliehen, so versagte dieser ohnehin problematische Weg bei Holly. Das Mädchen fühlte sich umstellt.
    Holly Grogan ist der dritte bekannt gewordene Selbstmord in zwei Jahren, der mit Cybermobbing, oder – wie es Experten nennen – Cyberbullying (to bully, engl.; drangsalieren) in Verbindung gebracht wurde. Der Spiegel schrieb dazu: »Der Online-Psychoterror wird zum Massenphänomen. Das Problem dabei: Die meisten Jugendlichen nehmen ihn nicht ernst genug – manche aber zerbrechen daran.«
    Cybermobbing unter Schülern weit verbreitet
    Bei einer nicht repräsentativen Umfrage unter Schülern befragten die Psychologinnen Stephanie Pieschl und Sina Urbasik von der Universität Münster 419 Schülerinnen und Schüler zu ihren Erfahrungen mit Cyberbullying. 10 Sie erwarteten eine eher geringe Betroffenheitsquote, da die von ihnen befragte Gruppe relativ alt (im Durchschnitt 18 Jahre), hochgebildet (86% Gymnasiasten) und überwiegend weiblich (70%) war. Trotzdem gaben 35 Prozent der Befragten an, mindestens einmal in den letzten zwei Monaten Opfer von Cyberbullying geworden zu sein, von Beleidigungen und Gerüchten, die in ihren sozialen Netzwerken wie SchülerVZ oder auf Instant Messenger verbreitet wurden. Eine Schülerin berichtete laut Umfrage von einer nur schwer auszuhaltenden Attacke: »Ein Mädchen hat verbreitet, dass mein Freund mich zum Sex zwingen würde und hat erzählt, dass ich schwanger war und abgetrieben habe.«
    Die zweite Zahl aus der Studie ist noch brisanter, denn sie zeigt, dass zu einem Phänomen mit so vielen Opfern auch viele Täter gehören, und manchmal sind Jugendliche beides zugleich: 55 Prozent der Befragten gaben an, im gleichen Zeitraum mindestens einmal als Täter aktiv gewesen zu sein. »Ich schicke vielleicht mal einer Freundin ein Bild, um ihr zu zeigen, wie dämlich dort jemand aussieht. Aber das ist eher nur ein Scherz. Ich mache das ja nicht, um jemanden bloßzustellen, sondern um Spaß zu haben«, wird ein Schüler zitiert. Die Grenzen zwischen Spaß und Ernst verschwimmen in dieser neuen Kommunikationskultur.
Damit unterscheidet sich das Internet nicht von einer realen Gerüchteküche, von Intrigen und falschen Gerüchten, wie sie dort gang und gäbe sind. Dafür sprechen auch die Zahlen einer Studie der Kölner Sozialpsychologin Catarina Katzer. Fast 80 Prozent der Jugendlichen, die auf dem Schulhof oder in der Klasse mobben, täten dies, so Katzer, auch im Internet. Zugleich erlitten 63 Prozent der »realen«
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