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»Die Essensfälscher«. Was uns die Lebensmittelkonzerne auf die Teller lügen

Titel: »Die Essensfälscher«. Was uns die Lebensmittelkonzerne auf die Teller lügen
Autoren: Thilo Bode
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war das von Henri Nestlé 1867 erfundene »Kindermehl«, die erste industriell hergestellte Säuglingsnahrung. Einen Haken bekämen auch noch die Maggi Würze (von 1886) und der Nescafé (von 1938), der wohl erste sofortlösliche Kaffee. Aber wer würde für die Fünf-Minuten-Terrine (1980) die Hand heben, bei der nur noch kochendes Wasser über das Eintopf-Allerlei gegossen werden muss? Oder für Nestlés probiotischen Trinkjoghurt namens LC 1, der angeblich »ausgleichend auf die Darmflora« wirkt? Oder den patentierten Cappuccino-Schaum, »auf dem sogar ein Keks liegen bleibt«? Den in den Medien oft als »innovativ« gelobten Kapselkaffee Nespresso führt Nestlé schon selber gar nicht erst auf. Das Produkt ist ein echter Verkaufsschlager für den Schweizer Multi, aber am Ende dreht es sich auch nur um Kaffee, der zudem noch jährlich tausende Tonnen Alukapsel-Müll produziert und den Konsumenten zwingt, auch die dazu passende Kaffeemaschine bei Nestlé zu erwerben.
    Geradezu halbseiden ist die Innovationsflut, die den Verbraucher bei sogenanntem Functional Food seit einigen Jahren heimsucht. Functional Food ist jenes Essen, das die Hersteller mit angeblichem (gesundheitlichen) Zusatznutzen versehen – da isst und trinkt man dann in der Hoffnung auf Wellness, Gesundheit und Schönheit. Zum Beispiel Activia-Joghurt, weil der »die Verdauung in Schwung bringt«. Oder Kinderschokolade, weil sie »beim Wachsen hilft«. Oder Schwarzen Tee, weil der die Konzentrationsfähigkeit unterstützt. Die frisierten Lebensmittel sind mit Vitaminen, Mineral- und anderen Stoffen angereichert und sollen Knochenschwund vorbeugen, die Magenschleimhaut regenerieren, den Stoffwechsel ankurbeln, die Haut straffen, das Abnehmen zum Kinderspiel machen. Der Markt für diese vorgeblich innovativen Produkte ist viele, viele Milliarden Euro und Dollar schwer, was der wahre Grund für den Wildwuchs an Gesundheitsversprechen der Lebensmittelindustrie ist. Die von der Europäischen Union beauftragte Europäische Lebensmittelbehörde ( EFSA ), bei der die Hersteller einen wissenschaftlichen Nachweis für die Wirkung ihrer Lebensmittel führen müssen, wurde mit mehr als 40 000 sogenannten »Health-Claim-Anträgen« überschüttet. Damit reklamieren die Produzenten zum einen das Recht auf eine werbliche Aussage über die gesundheitlichen Wirkungen ihrer Produkte – und stecken damit gleichzeitig ihren »Claim« gegenüber der Konkurrenz ab. Inzwischen hat die Behörde die Liste der beantragten Werbesprüche mit »gesundheitsbezogenen Angaben« zwar auf ein Zehntel zusammengekürzt und erst zum Teil abgearbeitet. Doch selbst wenn eines Tages eine Positivliste mit vielen Hunderten genehmigten Claims vorliegen wird, ist damit der Verbrauchertäuschung immer noch Tür und Tor geöffnet.
    Angesichts solcher Entwicklungen fragt man sich, ob es bald wieder als innovativ gelten könnte, wenn sich ein Hersteller entschließt, einfach nur normale Butter, normalen Joghurt, normalen Käse und normalen Quark anzubieten. Es braucht jedenfalls nicht viel Phantasie, um sich auszumalen, dass es eines Tages leichter sein wird, im Supermarkt fettfreies Mövenpick-Eis zu finden, darmfloraanregende Trinkjoghurts, Käse gegen Herzinfarkt und Quark in dreierlei Light-Versionen, als einfach nur Butter, wie sie seit Jahrtausenden von Menschen gemacht und gern gegessen wird, oder frische Milch. Oder Naturjoghurt, der noch säuerlich schmeckt. Oder Haferflocken ohne alles. Oder Mineralwasser, das nur Mineralwasser sein will und sonst gar nichts. Für die börsennotierten Multis und ihre Strategie, uns mit Scheininnovationen zu blenden, wäre ein Zurück zu den einfachen Produkten freilich der GAU . Weil die Rendite aus Haferflocken und Brunnenwasser nun mal bescheidener ist als aus probiotischen Joghurts und Fitness-Drinks.
    Der Blick auf ein Beispiel zeigt, welche Absurditäten diese Entwicklung mit sich bringt: »Rama Cremefine zum Schlagen« von Unilever ist angeblich eine »innovative«, weil »weniger fetthaltige Alternative« zur klassischen Sahne. Das Imitat wartet zwar mit elf Prozent weniger Fett als das Original auf, dafür aber auch mit Etikettenschwindel: »Rama Cremefine« sei eine »leichte Alternative zu Sahne und Komposition aus pflanzlichen Fetten und Milch«, schreibt Unilever auf seiner Website; pflanzliche Öle gelten als gesund, weil sie viele ungesättigte Fettsäuren enthalten. Nur: »Cremefine zum Schlagen« enthält so gut wie keine
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