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»Die Essensfälscher«. Was uns die Lebensmittelkonzerne auf die Teller lügen

Titel: »Die Essensfälscher«. Was uns die Lebensmittelkonzerne auf die Teller lügen
Autoren: Thilo Bode
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Vitaminen, Mineral- und anderen Stoffen einen Zusatznutzen behaupten. Die Versprechen sind mannigfach: Die Produkte sollen den Menschen, der sie isst, nicht nur gesünder machen und gegen Krankheit wappnen, sie sollen ihn auch schöner, geistig leistungsfähiger, glücklicher werden lassen; angeblich verfügen sie über die Fähigkeit, gegen Knochenschwund vorzubeugen, nach einer Chemotherapie zu helfen, die Magenschleimhaut zu regenerieren, den Stoffwechsel anzukurbeln, Eisenmangel zu bekämpfen, die Haut zu straffen, das natürliche Sättigungsgefühl zu verstärken und so das Abnehmen kinderleicht zu machen. Im Windschatten so bekannter Marken und Konzerne wie Nestlé und Danone segeln auch Produkte, die man nur noch als arglistige Täuschung und Verhöhnung der Verbraucher einstufen kann: Kaugummi soll gegen Schweißgeruch helfen, Schokolade gegen Akne und Anti-Falten-Marmelade gegen Hautalterung; angeblich hilft sogenanntes »Brain Food« gegen Alzheimer. Das Einzige jedoch, was dieses sogenannte Functional Food unter Garantie leisten kann, ist, den Menschen das Geld aus der Tasche zu ziehen und die Profite der Hersteller zu mehren. Eine heimtückische Methode, denn wer kann schon von sich sagen, gänzlich unempfänglich gegen diese mit kolossalem Aufwand inszenierten Versprechungen zu sein?
    Und so gerät eine simple Wahrheit leicht in Vergessenheit: Wer krank ist, sollte zum Arzt gehen und sich die verschriebenen Medikamente vom Apotheker geben lassen; wer Hunger hat und Lust auf Essen, ist im Restaurant und in der eigenen Küche richtig und sollte im Supermarkt die Lebensmittel aus dem Grenzbereich zwischen Pharmazie und Hokuspokus links liegen lassen. Kein Mensch braucht Functional Food, um sich gesund zu ernähren. Was unser Körper an Vitaminen, Enzymen und anderen Nährstoffen benötigt, kann er ebenso gut und billiger aus einer ausgewogenen, abwechslungsreichen Ernährung schöpfen. Noch nie in der Menschheitsgeschichte war das Angebot an herkömmlichen Nahrungsmitteln so gut und so reichhaltig wie heute – was die Aufrüstung zu Funktions-Essen umso überflüssiger macht. Der amerikanische Publizist und Ernährungsvorreiter Michael Pollan hat das in ein paar einfache und einleuchtende Merksätze übersetzt. Einer lautet »Man sollte nichts essen, was die eigene Großmutter nicht als Essen erkannt hätte«. Der andere besagt: »Früchte isst man am besten so, wie man sie in der Natur findet«; dann müsse die Industrie nicht angeblich gesunde Stoffe wie Antioxidantien in Junk Food platzieren. Eine dritte Erkenntnis des Kritikers lautet: »Man sollte nichts kaufen, was mehr als fünf Inhaltsstoffe hat. Und kein Produkt, das Stoffe enthält, die ein normaler Mensch nicht im Küchenschrank hat.«
    Doch die Entwicklung geht in die entgegengesetzte Richtung. Functional Food ist eines der letzten Wachstumsfelder auf den gesättigten Lebensmittelmärkten der westlichen Industrieländer. Allein die deutschen Verbraucher geben jährlich mehr als drei Milliarden Euro für Nahrungsmittel mit vermeintlichem Gesundheitsnutzen aus, nach Meinung von Experten soll Functional Food schon bald ein Viertel des Lebensmittelmarkts ausmachen. Functional Food ist Big Business, es geht um sehr viel Geld. So machen sich die Marketing-Leute in den Unternehmen schon Gedanken, wie sie zum Beispiel probiotische Produkte wie Trinkjoghurts, die vor allem von Frauen gekauft werden, noch attraktiver für Männer machen können. Ihre Verkaufsidee: Für Männer sollte in der Werbung weniger der gesundheitliche Vorteil herausgestellt werden; das Produkt könne für sie »sexier« erscheinen, wenn man die Joghurts stattdessen als sportlichen Drink oder als Energiespender bewerbe. Wie die Grenzen zwischen Nahrungsmitteln und anderen Bereichen zerfließen, zeigt das Beispiel Nestlé. Der Weltmarktführer hält knapp 30 Prozent Anteil am Kosmetikhersteller L’Oréal und betreibt mit dem Unternehmen zwei Joint Ventures, die Akne-Mittel, Nagelpilzprodukte und Nahrungsergänzungsmittel »für die Schönheit aus der Apotheke« verkaufen. Gemeinsam mit der ETH Lausanne will das Unternehmen die »Beziehung zwischen Ernährung und Gehirn« erforschen und zahlt den Wissenschaftlern dafür über einen Zeitraum von fünf Jahren 25 Millionen Franken und finanziert dazu noch zwei Lehrstühle. Nach einer Studie der Harvard Business School konnte der Lebensmittel-Multi den Umsatz mit Produkten, die funktionelle Elemente enthalten, alleine zwischen 2004
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