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»Die Essensfälscher«. Was uns die Lebensmittelkonzerne auf die Teller lügen

Titel: »Die Essensfälscher«. Was uns die Lebensmittelkonzerne auf die Teller lügen
Autoren: Thilo Bode
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Kaffeeröster Tchibo, Melitta und Dallmayr sowie gegen sechs verantwortliche Mitarbeiter. Nach den Erkenntnissen der Wettbewerbshüter existierte seit mindestens Anfang 2000 ein »Gesprächskreis«, in dem Geschäftsführer und Vertriebsleiter der vier Kaffeeröster mal eben den Markt aushebelten – jenen Markt, den ihre Vorstandschefs in Veranstaltungen wie der in Köln sonst gerne als funktionierend, ergo verbraucherfreundlich charakterisieren. Zwischen 2000 und 2008 traf man sich nach den Ermittlungen der Kartellbehörde mindestens 20-mal vorwiegend in Flughafen-Hotels in Bremen und Hamburg, mal dauerten die Sitzungen eine halbe Stunde, mal drei Stunden; es gab keine Tagesordnung und keine Teilnehmerlisten, eingeladen wurde meist telefonisch. Um die »Preisarchitektur« der wichtigsten Röstkaffeeprodukte bei den Endverkaufs- und Aktionspreisen aufrechtzuerhalten, sprachen die Konkurrenten Höhe, Umfang, Zeitpunkt der Bekanntgabe sowie das Inkrafttreten beabsichtigter Preiserhöhungen miteinander ab. Die Absprache bezog sich dabei immer auf die Preise der 500-Gramm-Packungen, bei Tchibo waren das »Feine Milde« und »Gala«, bei Kraft »Krönung«, »Meisterröstung« und »Onko«, bei Melitta »Auslese«, bei Dallmayr »Prodomo«. Den Beteiligten war aber klar, so das Kartellamt, dass neben diesen ausdrücklich abgesprochenen Hauptprodukten auch die Preise für andere Produkte in den Sortimentsbereichen Filterkaffee, Ganze Bohne-Produkte/Espresso und Universalpads erhöht wurden. Das Amt konnte für den Zeitraum zwischen Anfang 2003 und Mitte 2008 insgesamt fünf abgesprochene Preiserhöhungen nachweisen, mal waren es 50 Cent pro 500-Gramm-Packung, mal 70 Cent. Die illegalen Preisabsprachen waren nicht zuletzt deshalb aufgedeckt worden, weil der ebenfalls beteiligte US -Lebensmittelkonzern Kraft Foods über die illegalen Preisabsprachen ausgepackt und sich auf diese Weise von der Geldbuße befreit hatte; dem Strafrecht vergleichbar gibt es auch bei Preiskartellen eine Kronzeugenregelung, von der Kraft Foods in diesem Fall profitierte. Tchibo und Melitta legten dem Amt zufolge Einspruch ein, womit das Verfahren ans zuständige Oberlandesgericht übergeht.
    Bei der »Lebensmittel-genießen-Vertrauen«-Veranstaltung in Köln wird während der Pausen an den Stehtischen auch noch über eine weitere Sparte gesprochen, die im Verdacht steht, zu Lasten der Verbraucher illegal Preise abgesprochen zu haben: Anlass dazu gibt die überall im Saal ausliegende Ausgabe der »Lebensmittel Zeitung«, die über den neuesten Ermittlungsstand des Bundeskartellamts gegen die Fleischwirtschaft berichtet. Unter der Überschrift »Fleischwarenhersteller zittern« schreibt die Zeitung, dass nach Hausdurchsuchungen bei 19 Herstellern – darunter Markenartikler wie Herta, Stockmeyer, Rügenwalder Mühle oder Wiltmann – die Datenlage »erdrückend« sei. Das Kartellamt habe konkrete Hinweise, dass sich die Betriebe fünf Jahre lang, zwischen 2003 und 2008, über Preiserhöhungen abgesprochen hätten. Ein starkes Indiz dafür ist, dass »mehrere betroffene Unternehmen das Kartellamt bei der Aufklärung (…) inzwischen unterstützen und dafür Bonusanträge gestellt haben« – das heißt, sie stellen sich wie Kraft Foods bei den Kaffeeröstern als Kronzeugen zur Verfügung in der Hoffnung, dadurch einen teilweisen oder totalen Bußgelderlass zu erwirken.
    Preiskartelle sind eine üble und eindeutig illegale Methode von Unternehmern, sich auf dem Rücken ihrer Kunden dem Wettbewerb zu entziehen. So weit, so schlimm, aber immerhin kann sich der getäuschte Verbraucher wenigstens damit trösten, dass aufgeflogene Kartellmitglieder gelegentlich stark zur Kasse gebeten werden und wohl auch einen gewissen Imageschaden hinnehmen müssen.
    Doch Verbraucher werden mit anderen Methoden täglich millionenfach getäuscht und in die Irre geführt –, und zwar mit offizieller Duldung staatlicher Organe. Diese ganz legale Täuschung hat System, sie gehört schon so selbstverständlich zur Struktur der Lebensmittelwirtschaft in Deutschland, dass sie vielen gar nicht mehr auffällt. Das Lebensmittelrecht dient als Fassade, auf der zwar plakativ formuliert ist, dass die »Täuschung und Irreführung« des Verbrauchers verboten ist. Doch zugleich wird diese Norm fortwährend von Lebensmittelproduzenten und -händlern unterlaufen, die von der Politik gedeckt und auch durch die Justiz sanktioniert werden. Ein prominentes Beispiel dafür lieferte
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