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Die Erwaehlten

Die Erwaehlten

Titel: Die Erwaehlten
Autoren: Scott Westerfeld
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Daylightmeute. Was sollte da dran interessant sein. Sie ist genauso wie die anderen 178 Leute hier drin.“
    Rex schüttelte den Kopf, wollte widersprechen, brach aber ab. Wenn er es laut aussprechen wollte, musste es stimmen. Ein Dutzend Mal hatte er heute seine dicken Brillengläser schon ein paar Zentimeter angehoben und tat es jetzt wieder, um Jessica Day mit seinen bloßen Augen anzusehen. Die Cafeteria zerfloss in einem schwirrenden Nebel, aber sie stach auch aus dieser Entfernung klar und deutlich hervor.
    Es war bereits nach Mittag, und ihr Fokus war nicht verblasst. Er war dauerhaft. Es gab nur eine Erklärung.
    Er holte tief Luft. „Sie ist eine von uns.“
    Dess sah ihn an, endlich huschten Anzeichen von Interesse über ihr Gesicht. Melissa spürte die Veränderung zwischen ihren Freunden und sah mit leerem Blick auf. Sie lauschte, aber nicht mit ihren Ohren.
    „ Die? Eine von uns?“, sagte Dess. „Niemals. Die läuft in Oklahoma bei den Stinknormalen mit.“
    „Hör mir zu, Dess“, insistierte Rex. „Sie hat den Fokus.“
    Dess kniff die Augen zusammen, als ob sie sehen wollte, was nur Rex sah. „Vielleicht ist sie letzte Nacht berührt worden.“
    „Nein. Er ist zu stark. Sie ist eine von uns.“
    Dess sah wieder zur Decke hoch, wobei sie ihre Miene mit lang trainierter Mühelosigkeit wieder in die absolute Langeweile abgleiten ließ. Rex wusste trotzdem, dass er ihr Interesse geweckt hatte.
    „Na gut“, lenkte sie ein. „Wenn sie in der Zehnten ist, geht sie vielleicht mit mir in den einen oder anderen Kurs. Ich werde sie testen.“
    Melissa nickte ebenfalls, mit dem Kopf zur Flüstermusik wippend.
     

     

dess
    2.38 Uhr nachmittags
    2
    Als sich Jessica endlich im letzten Kurs dieses Tages hinter ihr Pult fallen ließ, war sie total erschöpft. Sie stopfte den verknitterten Stundenplan in ihre inzwischen bleischwere Büchertasche, die sie dankbar am Boden abstellte. Ob sie sich im richtigen Raum befand, war ihr inzwischen ziemlich egal.
    Erste Schultage waren niemals einfach. Aber in Chicago hatte es für Jessica wenigstens dieselben bekannten Gesichter und vertrauten Räume der Public School 141 gegeben, auf die sie sich freuen konnte. Hier in Bixby wurde alles zur Herausforderung. Diese Schule war zwar kleiner als die PS 141, verteilte sich aber ausschließlich zu ebener Erde in einem Labyrinth aus Anbauten und Containern. In jeweils fünf Minuten den Raum zu wechseln, hatte sich zum Albtraum entwickelt.
    Jessica hasste es, wenn sie zu spät kam. Sie trug immer eine Uhr, die sie mindestens zehn Minuten vorstellte. Heute, wo sie als neue Schülerin sowieso schon auffiel, fürchtete sie nichts mehr, als mit einem dämlichen Gesicht zu spät in einen Klassenraum zu schleichen, während alle sie anstarrten, weil sie zu blöd war, um sich zurechtzufinden. Sie hatte es aber wieder geschafft. Es hatte noch nicht geläutet. Jessica hatte es geschafft, den ganzen Tag pünktlich zu sein.
    Der Raum füllte sich allmählich, alle sahen am Ende des Tages fix und fertig aus. Einigen fiel Jessica jedoch trotz ihrer Erschöpfung auf. Wie es schien, wussten sie alle über das neue Mädchen aus der großen Stadt Bescheid. An ihrer alten Schule war Jess einfach nur eine Schülerin unter zweitausend anderen gewesen. Hier war sie praktisch eine Berühmtheit. Alle waren freundlich zu ihr, wenigstens das. Den ganzen Tag lang hatte man sich um sie gekümmert, sie angelächelt, gebeten, aufzustehen und sich vorzustellen. Sie hatte die Rede inzwischen parat.
    „Ich heiße Jessica Day, und ich bin gerade aus Chicago hierhergezogen. Wir sind umgezogen, weil meine Mom bei Aerospace Oklahoma einen Job gekriegt hat, wo sie Flugzeuge entwirft. Nicht das ganze Flugzeug, nur die Form einer Tragfläche, sagt Mom immer. In Oklahoma sind anscheinend alle sehr nett, und es ist viel wärmer als in Chicago. Meine dreizehnjährige Schwester hat zwei Wochen geheult, bevor wir umgezogen sind, mein Dad dreht am Rad, weil er in Bixby noch keinen Job gefunden hat, und das Wasser schmeckt hier komisch. Danke.“
    Natürlich hatte sie den Schlussteil nie laut gesagt. Vielleicht würde sie es diesmal tun, nur um wach zu werden.
    Es läutete zum letzten Mal.
    Der Lehrer stellte sich als Mr Sanchez vor und fragte die Liste ab. Er legte eine kurze Pause ein, als er bei Jessicas Namen angekommen war, und warf einen kurzen Blick auf sie. Es musste ihm aber aufgefallen sein, wie erschöpft sie aussah. Er bat sie nicht, sich
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