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Die Erscheinung

Titel: Die Erscheinung
Autoren: Danielle Steel
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hungrig und müde, nach wie vor unfähig, an sein Unglück zu glauben. Er hoffte immer noch, sie würde die Affäre mit Simon beenden und erkennen, der Mann wäre zu alt für sie, ein Schaumschläger, der sie nur geblendet hatte. Aber offensichtlich war sie glücklich mit Simon. Hin und wieder sah er in den Zeitungen und Magazinen Fotos von den beiden und verabscheute den Anblick. Wie schmerzlich er Carole vermisste … Die Einsamkeit drohte ihn zu überwältigen. Als er es nicht mehr aushielt, rief er sie an, und der Klang ihrer vertrauten, sinnlichen Stimme vertiefte seinen Kummer. Ständig redete er sich ein, sie wäre nur für kurze Zeit verreist und würde zu ihm zurückkehren. Aber sie hatte sich von ihm getrennt. Wahrscheinlich für alle Zeiten.
    Jetzt wirkte das Haus in Chelsea vernachlässigt und ungeliebt. Sie hatte alle ihre Sachen mitgenommen, nichts sah so aus wie früher. Was er erträumt und ersehnt hatte, war zerstört. Vor seinen Füßen lagen nur mehr die Scherben seines Glücks, und es gab nichts mehr, woran er sich festhalten konnte.
    Im Büro bemerkten die Kollegen, wie müde und bleich und dünn er aussah. Nervös und reizbar stritt er mit ihnen über alles und jedes. Seine Freunde rief er nicht mehr an, und er lehnte sämtliche Einladungen ab, die sie ihm schickten. Mittlerweile glaubte er, sie wären vom neuen Mann in Caroles Leben hingerissen. Er wollte nicht hören, was die beiden taten, und keine gut gemeinten Fragen beantworten. Trotzdem verschlang er alle Zeitungsartikel über Carole und Simon, über die Feten, die sie besuchten, die Wochenenden, die sie auf dem Land verbrachten. Simon St. James führte ein reges gesellschaftliches Leben. Und Carole war schon früher gern auf Partys gegangen. So sehr sich Charlie auch bemühte, nicht mehr an das alles zu denken - es beschäftigte ihn unablässig und verfolgte ihn bis in seine Träume.
    Im Sommer fühlte er sich noch elender. Er wusste, dass Simon eine Villa in Südfrankreich besaß, weil sie ihn dort besucht hatten. Zwischen Beaulieu und St.-Jean-Cap-Ferrat. Im Hafen lag eine luxuriöse Yacht, und Charlie stellte sich vor, wie Carole an Deck ein Sonnenbad nahm. In grausigen Albträumen sah er sie ertrinken, und dann quälte ihn sein Gewissen, weil er fürchtete, sein Unterbewusstsein würde sich genau das wünschen. Schließlich ging er noch einmal zum Eheberater. Doch es gab nichts mehr zu sagen.
    Im September rief Carole an, um ihm mitzuteilen, sie würde die Scheidung einreichen. Charlie hasste sich selbst, weil er fragte, ob sie noch mit Simon zusammenleben würde. Was denn sonst? Nur zu gut vermochte er sich ihre Miene vorzustellen. »Das weißt du doch, Charlie«, erwiderte sie traurig. Es tat ihr weh, ihn zu verletzen. Aber sie war noch nie so glücklich gewesen wie jetzt mit Simon. Den August hatten sie in Südfrankreich verbracht. Sie war erstaunt gewesen, weil sie alle seine Freunde mochte. Und Simon legte ihr die Welt zu Füßen. Er nannte sie die Liebe seines Lebens, die Frau seiner Träume, und plötzlich erkannte sie eine Verletzlichkeit in seinem Wesen, eine Sensibilität, die sie nie zuvor bemerkt hatte. Jetzt liebte sie ihn über alles. Doch das verschwieg sie Charlie. Was sie für Simon empfand, führte ihr immer deutlicher vor Augen, wie leer ihre Ehe gewesen war. Zwei egoistische Menschen hatten nebeneinander gelebt und nur selten eine echte gemeinsame Basis gefunden. Das wusste sie inzwischen. Aber Charlie begriff es nicht. Inständig hoffte sie, auch er würde eine Frau finden, die zu ihm passte. Doch das schien er nicht einmal zu versuchen.
    »Wirst du ihn heiraten?« Wenn er solche Fragen stellte, kam es ihm so vor, als würde alle Luft aus seinen Lungen gepresst. Trotzdem musste er solche Worte aussprechen.
    »Darüber haben wir noch nicht geredet«, log sie. Simon sehnte ungeduldig die Hochzeit herbei. Doch das ging Charlie nichts an. »Im Augenblick ist das nicht so wichtig. Wir müssen erst einmal
unsere
Angelegenheiten regeln.« Inzwischen hatte sie ihn gezwungen, einen Anwalt zu engagieren. Aber Charlie rief ihn fast nie an. »Wenn du Zeit hast, müssen wir unsere Sachen aufteilen.«
    Bei diesen Worten wurde ihm fast übel. »Warum willst du's nicht noch mal versuchen?« Er verabscheute die Schwäche, die er in seiner eigenen Stimme hörte. Aber er liebte sie so sehr, und der Gedanke, sie für immer zu verlieren, brachte ihn fast um. Warum mussten sie ihre »Sachen« aufteilen? Was interessierte ihn das
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