Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Erscheinung

Titel: Die Erscheinung
Autoren: Danielle Steel
Vom Netzwerk:
öffnete er im hellen Sonnenschein die Augen - schweren Herzens, als wäre etwas Schreckliches geschehen. Mit diesem Gefühl war er monatelang erwacht, seit Carole ihn verlassen hatte. Lag es immer noch daran? Nein, an einer anderen Erinnerung. François war gestorben. Und Sarah hatte noch fast fünfzig Jahre ohne ihn gelebt.
    Was Charlie am schmerzlichsten bedrückte, war die Erkenntnis, dass er keine Tagebücher mehr lesen konnte. Sarah hatte ihn verlassen und ihn eine wichtige Lektion gelehrt -das Leben war so kurz, jede einzelne Minute kostbar. Was wäre geschehen, hätte sie François ihr Herz nicht geöffnet? Vier kurze Jahre, aber der beste Teil ihres Lebens, und sie hatte ihm drei Kinder geschenkt. Dadurch erschien alles unwichtig, was sie früher hatte ertragen müssen.
    Während Charlie an diesem Morgen unter der Dusche stand und sich dann anzog, wanderten seine Gedanken ständig zu Francesca. Seit der Reise nach Paris war sie verändert. Das hatten ihre Augen am Flughafen verraten. Und - noch signifikanter - sie hatte es nicht vor ihm verborgen. Plötzlich konnte er es kaum erwarten, sie wieder zu sehen. Ein völlig neues Leben lag vor ihnen. Um sieben Uhr abends würde er sie abholen. Seufzend fragte er sich, wie er die vielen Stunden bis dahin ertragen sollte.
    Der Türklopfer pochte an die Haustür. Wahrscheinlich Gladys Palmer, dachte er und eilte die Treppe hinab. Kurz schaute er durch das Fenster und sah eine sichtlich verlegene Francesca vor dem Eingang stehen.
    »Tut mir Leid«, entschuldigte sie sich nervös. Obwohl sie die Stirn runzelte, sah sie bezaubernd aus, als sie die Halle betrat. »Gerade habe ich Monique zu ihrer Freundin gebracht. Die wohnt ganz in der Nähe, und da habe ich mir überlegt …« In ihren grünen Augen schimmerten Tränen. »Gestern Abend las ich das Tagebuch zu Ende. Jetzt ist Sarah in Boston - und sie will nach Deerfield fahren.«
    »Dann stehen Sie erst am Anfang. So wie ich - obwohl ich gestern die letzten Aufzeichnungen beiseite legte. Danach fühlte ich mich, als wäre jemand gestorben. Ich bin froh, dass Sie zu mir gekommen sind.« Nachdenklich betrachtete er ihr Gesicht, und dann hatte er eine Idee, die ihnen vielleicht Glück bringen würde. »Möchten Sie mit mir wegfahren?«
    Erleichtert stimmte sie zu. »Sehr gern.« Sie hatte ihren ganzen Mut aufbieten müssen, um ihn zu besuchen, und sie war immer noch betreten. »Wohin?«
    »Das werden Sie gleich sehen«, antwortete er rätselhaft. Er zog seinen Mantel an, verließ mit ihr das Haus, und sie stiegen in sein Auto. In wenigen Minuten legten sie die kurze Strecke zurück, die Sarah so oft zu Fuß gegangen war, sogar während ihrer Schwangerschaften. Francesca kannte den Wasserfall. Hier hatte sie einmal mit Monique gepicknickt. Aber nur Charlie wusste, welch eine bedeutsame Rolle dieses Fleckchen Erde in Sarahs Leben gespielt hatte. Nun stand er dicht neben Francesca. »Schön, nicht wahr?« Die vereisten Kaskaden glänzten majestätisch. »Hier waren Sarah und François sehr glücklich.«
    Und endlich zog er sie an sich und küsste sie. Seit sie sich kannten, hatten sie genug geredet - über die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft, die Menschen, die sie enttäuscht hatten, die gebrochenen Herzen. Möglicherweise war es an der Zeit, zu schweigen und einfach nur Sarahs und François' Beispiel zu folgen.
    Sie spürte sein Herz an ihrem. Als er den Kopf hob, legte sie lächelnd einen Finger auf seine Lippen. »Wie gut, dass du's getan hast …«, wisperte sie.
    »Das finde ich auch«, erwiderte er atemlos. »Viel länger hätte ich mich nicht mehr zurückhalten können.«
    »Wie dumm ich war …« Sie setzten sich auf einen abgerundeten Felsen, und Charlie hoffte, Sarah und François hätten sich an derselben Stelle geküsst. »Während ich das Tagebuch las, merkte ich, wie unwichtig das alles war, was ich erlebt habe.« Eine schwere Last war von Francescas Seele gefallen.
    »Nicht unwichtig«, widersprach er und küsste sie wieder. »Ein Teil deines Lebens, der jetzt zur Vergangenheit gehört. Das hast du erkannt und dich von deinem Kummer befreit.« Mit Sarahs Hilfe. Etwas später gingen sie spazieren, und Charlie legte einen Arm um Francescas Schultern. »Freut mich, dass du heute Morgen zu mir gekommen bist.«
    »Mich auch.« Sie wirkte jetzt viel jünger als die Frau, die er in der Bibliothek kennen gelernt hatte. Sie war einunddreißig, er zweiundvierzig. So viel lag noch vor ihnen.
    Ungefähr im
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher