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Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4
Autoren: Émile Zola
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erkälten, die Nacht ist sehr frisch.«
    Frau de Condamin lächelte, während sie ihre Füßchen, die sie an ihrem Rocksaum sehen ließ, auf das Pflaster ausstreckte.
    »Ach nein! Uns ist nicht kalt!« entgegnete sie. »Ich habe brennend heiße Füße. Ich fühle mich sehr wohl … Ist Ihnen kalt, Mademoiselle?«
    »Mir ist zu warm«, versicherte Aurélie. »Man möchte meinen, es sei eine Sommernacht. Das Feuer da wärmt schön.«
    Alle erklärten, es sei angenehm, und Frau Paloque entschloß sich alsdann, zu bleiben und sich auch in einen Sessel zu setzen. Herr Maffre war eben weggegangen; er hatte mitten in der Menge seine beiden Söhne in Begleitung von Guillaume Porquier erblickt, die alle drei ohne Krawatte aus einem Haus an den Wällen herbeigeeilt waren, um das Feuer zu sehen. Der Friedensrichter, der sicher war, sie in ihrem Zimmer eingeschlossen zu haben, zog Alphonse und Ambroise an den Ohren fort.
    »Wollen wir nicht zu Bett gehen?« meinte Herr de Bourdeu, der immer mürrischer wurde.
    Herr Péqueur des Saulaies war wieder aufgetaucht,
    er war unermüdlich und vergaß trotz der mannigfachen Sorgen, mit denen er überhäuft wurde, die Damen nicht. Er ging rasch Herrn Delangre entgegen, der aus der ChevilottesSackgasse zurückkam. Sie sprachen leise miteinander. Der Bürgermeister mußte irgendeiner entsetzlichen Szene beigewohnt haben; er strich sich mit der Hand über das Gesicht, als wolle er das gräßliche Bild aus seinen Augen verscheuchen. Die Damen hörten lediglich, wie er murmelte: »Wir sind zu spät gekommen! Es ist grauenvoll, grauenvoll!« Er wollte keine Frage beantworten.
    »Nur Bourdeu und Delangre bedauern den Abbé«, flüsterte Herr de Condamin Frau Paloque ins Ohr.
    »Sie hatten mit ihm zu tun«, antwortete diese seelenruhig. »Sehen Sie nur, da ist Abbé Bourrette. Der weint aufrichtig.«
    Abbé Bourrette, der mit in der Kette gestanden hatte, weinte schluchzend heiße Tränen. Der arme Mann hörte die Tröstungen nicht. Nie und nimmer wollte er sich in einen Sessel setzen; er blieb stehen, sah mit umflortem Blick zu, wie die letzten Balken verbrannten. Man hatte auch Abbé Surin gesehen; aber er war verschwunden, nachdem er, von einer Gruppe zur anderen gehend, die im Umlauf befindlichen Neuigkeiten erlauscht hatte.
    »Gehen wir doch zu Bett«, sagte Herr de Bourdeu mehrmals. »Es ist am Ende dumm, hierzubleiben.«
    Die ganze Gesellschaft erhob sich. Es wurde beschlossen, daß Herr Rastoil, seine Frau und seine Tochter die Nacht bei den Paloques verbringen sollten. Frau de Condamin klopfte sacht ihren leicht zerknitterten Rock zu recht. Man schob die Sessel zurück, verweilte einen Augenblick im Stehen, um sich eine gute Nacht zu wünschen. Die Feuerspritze schnaufte noch immer, die Feuersbrunst verblich inmitten schwarzen Rauches; nur noch das schwacher gewordene Getrampel der Menge war zu hören und die zu späten Axthiebe eines Feuerwehrmannes, der Gebälk abschlug.
    Es ist zu Ende, dachte Macquart, der den gegenüberliegenden Bürgersteig nicht verlassen hatte. Er blieb jedoch noch einen Augenblick stehen, um auf die letzten Worte zu lauschen, die Herr de Condamin leise mit Frau Paloque wechselte.
    »Ach was!« sagte die Richtersfrau. »Niemand wird ihn beweinen außer diesem Dummkopf Bourrette. Er war unerträglich geworden, wir waren alle Sklaven. Monsignore wird zur Stunde wohl lachen … Kurzum, Plassans ist befreit!«
    »Und die Rougons!« bemerkte Herr de Condamin. »Die müssen doch entzückt sein.«
    »Wahrlich! Die Rougons sind im siebenten Himmel. Sie werden erben, was der Abbé erobert hat … Das kann ich Ihnen sagen, die hatten den, der sich getraut hatte, die Bude in Brand zu stecken, sehr teuer bezahlt.«
    Unzufrieden ging Macquart fort. Er fürchtete schließlich, reingefallen zu sein. Die Freude der Rougons versetzte ihn in Bestürzung. Die Rougons waren pfiffige Kerle, die stets ein doppeltes Spiel spielten und bei denen man am Ende doch der Betrogene war. Als er den Place de la SousPréfecture überquerte, schwur er sich, nicht mehr so im dunkeln tappend zu Werke zu gehen.
    Als er wieder zu dem Zimmer hinaufging, in dem Marthe im Sterben lag, fand er Rose auf einer Treppenstufe sitzend. Sie war rasend vor Zorn, sie schimpfte:
    »Nein, wahrhaftig, ich bleibe nicht in dem Zimmer; ich will solche Dinge nicht sehen. Soll sie ohne mich krepieren! Soll sie wie ein Hund krepieren! Ich mag sie nicht mehr, ich mag niemanden mehr … Den Kleinen holen, damit er dem
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