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Die Eroberung von Plassans - 4

Die Eroberung von Plassans - 4

Titel: Die Eroberung von Plassans - 4
Autoren: Émile Zola
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glühendem Rot höhlten sich aus im Hintergrund jedes klaffenden Fensters, während der Rauch sich sacht dahinwälzte, in einer großen, blaßvioletten Wolke abzog, gleich dem Rauch bengalischer Feuer bei einem Feuerwerk. Die Damen und Herren hatten sich in die Sessel gekuschelt; sie stützten sich mit den Ellbogen auf, streckten sich aus, hoben das Kinn; dann trat Stille ein, die von Bemerkungen durchschnitten wurde, wenn ein Wirbel noch ungestümerer Flammen aufstieg. In der Ferne schwoll im tanzenden Lichtschein, der die Wellentäler wogender Köpfe jäh und festlich beleuchtete, das Getöse der Menge an, ein Geräusch fließenden Wassers, ein richtiges ertränktes Lärmen. Und zehn Schritte entfernt behielt die Feuerspritze ihr regelmäßiges Atmen bei, ihr Speien aus dem geschundenen metallenen Schlund.
    »Sehen Sie doch das dritte Fenster im zweiten Stock«, rief Herr Maffre plötzlich aufs höchste verwundert. »Links sieht man sehr deutlich ein brennendes Bett. Die Vorhänge sind gelb; sie lodern wie Papier.«
    Herr Péqueur des Saulaies kam in leichtem Trab zurück, um die Gesellschaft zu beruhigen. Es herrschte Panik.
    »Die Funken«, sagte er, »werden durch den Wind zwar in Richtung der Unterpräfektur getrieben, aber sie verlöschen in der Luft. Es besteht keinerlei Gefahr, man ist des Feuers Herr geworden.«
    »Aber weiß man denn«, fragte Frau de Condamin, »wie das Feuer entstanden ist?«
    Herr de Bourdeu versicherte, er habe gesehen, wie zuerst dicker Rauch aus der Küche herausdrang. Herr Maffre behauptete dagegen, die Flammen seien zuerst in einem Zimmer des ersten Stocks zu sehen gewesen. Der Unterpräfekt schüttelte mit einer Miene amtlicher Vorsicht den Kopf; schließlich sagte er mit halber Stimme:
    »Ich glaube, daß Böswilligkeit an dem Unheil nicht unbeteiligt ist. Ich habe bereits eine Untersuchung angeordnet.« Und er erzählte, daß er gesehen habe, wie ein Mann das Feuer mit einem Stück Rebholz anzündete.
    »Ja, ich habe ihn auch gesehen«, unterbrach Aurélie Rastoil. »Es war Herr Mouret.«
    Das rief eine außerordentliche Überraschung hervor. Das war doch nicht möglich. Mouret, der aus dem Irrenhaus ausbricht und sein Haus niederbrennt, welch entsetzliches Drama! Und man überschüttete Aurélie mit Fragen. Sie errötete, während ihre Mutter sie streng anblickte. Es schickte sich nicht, daß ein junges Mädchen alle Nachte so am Fenster stand.
    »Ich versichere Ihnen, ich habe Herrn Mouret deutlich erkannt«, fuhr sie fort. »Ich habe nicht schlafen können und bin aufgestanden, als ich einen großen Lichtschein sah … Herr Mouret tanzte inmitten des Feuers.«
    Der Unterpräfekt äußerte sich:
    »Jawohl, Mademoiselle hat recht … Nun erkenne ich diesen Unglückseligen. Er war so fürchterlich, daß ich weder aus noch ein wußte, obwohl mir seine Gestalt nicht unbekannt vorkam … Ich bitte Sie um Entschuldigung, dies ist sehr ernst, ich muß einige Anweisungen erteilen.«
    Er entfernte sich abermals, während die Gesellschaft dieses schreckliche Ereignis besprach, ein Hausbesitzer, der seine Mieter verbrennt. Herr de Bourdeu ereiferte sich gegen die Irrenanstalten; die Bewachung werde dort in einer gänzlich ungenügenden Art und Weise ausgeübt. In Wahrheit zitterte Herr de Bourdeu davor, daß in der Feuersbrunst die Präfektur, die Abbé Faujas ihm versprochen hatte, in Flammen aufging.
    Dieser Ausspruch machte alle beklommen. Die Unterhaltung brach unvermittelt ab. Die Damen überliefen leichte Schauder, während die Herren eigentümliche Blicke tauschten. Das in Flammen stehende Haus wurde viel interessanter, seit die Gesellschaft die Hand kannte, die das Feuer gelegt hatte. Die vor wonnigem Grauen zwinkernden Augen hefteten sich starr auf die Glut und träumten von dem Drama, das sich dort abgespielt haben mußte.
    »Wenn Papa Mouret da drin ist, so sind es fünf«, sagte Herr de Condamin noch; die Damen brachten ihn zum Schweigen, indem sie ihm vorwarfen, er sei ein gräßlicher Mensch.
    Seit Beginn der Feuersbrunst schauten die Paloques vom Fenster ihres Wohnzimmers aus zu. Sie befanden sich genau über dem improvisierten Salon auf dem Bürgersteig. Die Richtersfrau ging schließlich hinunter, um den Damen Rastoil wie auch den Herrschaften, die sie umgaben, liebenswürdigerweise ihre Gastfreundschaft anzubieten.
    »Von unseren Fenstern aus kann man sehr gut sehen, versichere ich Ihnen«, sagte sie. Und als die Damen ablehnten, fuhr sie fort:
    »Aber Sie werden sich
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