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Die Erfuellung

Die Erfuellung

Titel: Die Erfuellung
Autoren: Catherine Cookson
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dreingeblickt, aber nun schien sein Gesicht um Jahre gealtert. Er wirkte müde, und sein Blick war traurig und resigniert. Mitleid stieg in ihr auf. Am liebsten hätte sie die Arme um ihn gelegt und ihn getröstet. Selbst das Wissen, dass er eine andere liebte, hatte in diesem Augenblick an Bedeutung verloren. Sie wollte ihn nur noch trösten, brachte es aber nicht über sich. Stattdessen richtete sie ihm die Nachricht aus, die sie hergeführt hatte.
    »Ihre Mutter hat mich geschickt«, flüsterte sie ihm ins Ohr. »Mr Cadwell war im Haus. Er ist bewaffnet und hat finstere Drohungen ausgestoßen. Ihre Mutter bittet Sie dringend, auf der Hut zu sein.«
    Er drehte den Kopf und sah sie an, kam aber nicht dazu zu antworten. Mit einem schnellen Druck seiner Hand auf ihrem Arm bedeutete er ihr, ebenfalls zu schweigen. Nun spähte er vorsichtig um den Felsen herum, griff dann mit einer flinken Bewegung nach einem Vorsprung über sich, fand mit den Füßen etwa einen Meter über dem Boden Halt und zog sich hoch, bis er über die Felskante sehen konnte. Noch wenigen Sekunden ließ er sich wieder zu Boden fallen.
    »Er ist fort, das war sein Motorrad.« Er trat ins Freie hinaus. »Ich habe keine Angst vor Cadwell«, verkündete er mit dem Rücken zu ihr. »Er ist ein ungehobelter Grobian, der nicht davor zurückschreckt, andere zu bezahlen, damit sie die Drecksarbeit für ihn erledigen. Aber wenn es nicht anders geht, würde er sich einem ehrlichen Kampf stellen.«
    »Er hat von Ihnen keine so gute Meinung.«
    »Nein, aber das ist im Moment nebensächlich. Wenn ich es nur mit ihm aufnehmen müsste, wäre mir wohler, aber ich habe es mit einem Gegner zu tun, der gefährlicher ist als die Cadwells. Früher einmal dachte ich, schlimmer als John Cadwell ginge es nicht, aber man lernt nie aus. Kommen Sie, wir gehen besser zurück.«
    Es war unmöglich, ein Gespräch zu führen, weil er sein Tempo nicht an das ihre anpasste. Sie musste fast laufen, um mit ihm Schritt zu halten. Als sie den Hof erreichten, verlangsamte er sein Tempo.
    »Wenn die Polizei weg ist, brauche ich Ihre Hilfe. Kann ich auf Sie zählen?«, sagte er mit gedämpfter Stimme.
    »Ich werde tun, was ich kann.«
    »Haben Sie eine zweite Reithose und Jacke?«
    »Reithose und Jacke?« Sie kniff die Augen zusammen.
    »Ja.«
    »Glauben Sie, Sie können die Sachen unbemerkt aus dem Haus schaffen, indem sie zwei Kleidungsstücke übereinander tragen oder so etwas?« Er schüttelte den Kopf. »Ich muss Edith hier wegschaffen. Wenn sie Ihre Kleider trägt und sich den Schal umbindet, den sie manchmal als Kopftuch benutzen, könnte sie im Jeep mitfahren, als würden wir die Milch nach Surfpoint Bay bringen. Ich muss sie nach Morpeth schaffen, dann kann sie sich um sich selbst kümmern.«
    »Aber ich dachte, sie wäre krank und hätte Fieber. Sie wollten doch den Arzt holen.«
    »Ich weiß, was ich gesagt habe«, erwiderte er kurz angebunden. »Sie hatte Fieber und ist immer noch krank, aber Krankheit hin oder her, sie muss weg. Macht es Ihnen etwas, ihr Kleidung zu leihen?« Er legte eine Pause ein. »Ich werde Ihnen die Kosten ersetzen.«
    »Das wird nicht nötig sein«, erwiderte sie scharf. »Bei Sarah im Stall hängt eine Ersatzjacke. Ich bezweifle, dass eine zweite Hose über diese hier passen würde, aber ich habe eine zur Seite gelegt, die ich in die Wäsche geben wollte. Sie ist unten im Küchenschrank.«
    »Gut, dort ist sie leicht erreichbar, aber lassen Sie sich auf keinen Fall von meiner Mutter erwischen. Gehen Sie vorne herum, ich nehme den Durchgang in der Mauer. Die Polizei dürfte inzwischen wieder weg sein. Falls sich jedoch noch Beamte im Haus aufhalten, unternehmen Sie nichts, sondern warten ab.« Als sie sich abwenden wollte, streckte er die Hand aus und berührte sie leicht an der Schulter. »Ich möchte Ihnen nur sagen, wie dankbar ich Ihnen bin.«
    »Das geht schon in Ordnung. Wenn ich Ihnen helfen kann, tue ich es, das wissen Sie.«
    »Ja, ich weiß es. Sie sind so gut zu mir.«
    Für einen Moment begegneten sich ihre Blicke, dann wandten sie sich beide fast gleichzeitig ab.
    Als Linda zehn Minuten später in den großen Stall kam, erwartete Ralph Batley sie dort. Er war in der Zwischenzeit nicht untätig gewesen, sondern spritzte die Boxen mit einem Schlauch aus. Angesichts seiner hastigen, nervösen Bewegungen wurde ihr klar, wie sehr er sich um die Farm sorgen musste, denn der Arbeitsplan war völlig durcheinander geraten.
    »Ich habe die
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