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Die Erfindung des Jazz im Donbass

Die Erfindung des Jazz im Donbass

Titel: Die Erfindung des Jazz im Donbass
Autoren: Serhij Zhadan
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sie zum ersten Mal im Leben sah. Arkadij und Prochor begrüßten nun ihrerseits die Traktoristen, lachten und boten ihnen Zigaretten an. Nikolaitsch beachtete man gar nicht mehr, man hatte ihn vergessen, er stand mit blödem Grinsen abseits und wusste nicht weiter. Auch Ernst hatte ihn vergessen, die Traktoristen begrüßten Ernst ebenfalls wie einen alten Bekannten, was er im Grunde genommen ja auch war. Ich aber konnte den Blick nicht vergessen, mit dem der glatzköpfige Nikolai Nikolaitsch Ernst angeschaut hatte, ich hatte die Schwere in seinen Augen gesehen, etwas, wovon einem kalt und unheimlich wurde.
     
    – Na, wie läuft’s denn so? – fragten die Traktoristen den Versehrten mit aufgesetzter Freundlichkeit. – Na, fuck, wie läuft’s denn hier so?
    Es schien, als wollten sie alle umarmen und an ihre breite Brust drücken – der eine ans Matrosenhemd, der andere an den Blaumann. Auch unsere Mannschaft freute sich über die Traktoristen, behielt diese Freude aber für sich.
    – Koljunja, – sagte Pascha zu dem Matrosenhemd. – Von wem lässt du dich denn anheuern, verdammte Scheiße?
    – Lass gut sein, Pawlucha, kennst du mich etwa nicht? – Der Mann im Matrosenhemd wollte sich rechtfertigen. – Dieser Arsch hier, – er zeigte auf Nikolaitsch, – hat uns engagiert. Ich wusste doch nicht, dass es euer Objekt ist.
    – Wohl hast du das gewusst, – sagte der Versehrte streng.
    – Schura, lass gut sein, – antwortete ihm weinerlich das Matrosenhemd. – Ehrenwort. Ihr kennt uns doch . . .
    – Wir kennen euch, – gab Pascha unwillig zu. – Man muss aber doch aufpassen, mit wem man sich einlässt.
    – Hey, Paschok, denkst du etwa, dass ich zu denen gehöre? – Koljunja nickte in Richtung Nikolaitsch.
    – Ich denke überhaupt nichts, – antwortete Pascha.
    – Lasst doch gut sein, Leute, – der Traktorist wurde nervös.
    – Hör auf zu winseln, – unterbrach ihn der Versehrte.
    – Habt vielen Dank, Leute, – bedankte sich das Matrosenhemd. – Danke.
     
    Dann erzählten sie, wie es gewesen war. Dass sie Nikolaitsch in Wirklichkeit zum ersten und wohl auch zum letzten Mal sahen, dass sie keinen blassen Schimmer gehabt hatten, auf was sie sich einließen, und geglaubt hatten, es wäre ein gewöhnliches Objekt, und dass ihnen erst jetzt die Gemeinheit und Unehrlichkeit der beiden Arschlöcher – Nikolaitschs und des Grauen – klar geworden seien. Ein Glück, dass der Graue abgehauen war, sonst hätten sie ihn eigenhändig an der Schaufel aufgehängt. Weil sie nämlich okay wären und man sie für das gebotene Geld sowieso nicht kaufen könne. Und für mehr auch nicht wahrscheinlich.
    Schura wollte das alles nicht hören, trat zurück und setzte sich auf die Haube des schwarzen Mercedes. Er sah zufrieden und entspannt aus, er wandte sein Gesicht der Sonne zu, als wolle er diese letzten Sonnenstunden lange in Erinnerung behalten. Ich setzte mich neben ihn.
    – Und was nun? – fragte ich.
    – Nichts, – antwortete der Versehrte.
    – Und wenn sie zurückkommen?
    – Scheiß drauf, – antwortete Schura ruhig. – Lass sie doch. Weißt du, dein Bruder hatte nie Angst vor ihnen. Was können sie schon machen? Okay, sie können versuchen, dich zu kaufen. Aber niemand wird dich kaufen, wenn du es nicht selbst willst, stimmt’s?
    – Stimmt.
    – Der Meinung bin ich auch. Aber sie nicht. Okay, – wechselte er das Thema. – Was schreibt die Kleine?
    – Hab’s noch nicht gelesen, – antwortete ich überrascht. – Ich erzähl’s dir, wenn ich’s gelesen hab.
    – Gut, – willigte der Versehrte ein, – abgemacht.
    *
    Da kam Nikolaitsch wieder zu sich und beschloss, dass es an der Zeit war, von hier zu verschwinden.
    – Hey! – rief er den Traktoristen zu.
    Sie schauten sich gleichzeitig um, verloren aber sofort wieder das Interesse, wandten sich demonstrativ unseren Leuten zu und erzählten weiter ihre Storys.
    – Koljunja! – Nikolaitsch zitterte die Stimme vor Aufregung und Zorn.
    – Was? – Der im Matrosenhemd blickte über die Schulter zu ihm hin.
    – Los, – befahl Nikolaitsch knapp.
    – Verpiss dich, – antwortete Koljunja ebenso knapp und wandte sich wieder ab.
    Pascha und Bormann wechselten Blicke, setzten die Unterhaltung mit den Traktoristen fort und taten so, als sei alles in Ordnung.
    – Koljunja, fuck! – Nikolaitsch konnte sich nicht beherrschen. – Was hab ich gesagt? Los, wir fahren!
    In seiner Stimme war etwas, das die Traktoristen nun doch
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