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Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde
Autoren: Emile Zola
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waren. Sogar als Bengel hatte er sich nicht mit seinen Eltern vertragen können; und später war er, nachdem er eine gute Nummer10 gezogen hatte, von ihnen ausgerückt, um sich zu verdingen, zuerst auf La Borderie, danach auf La Chamade.
    Aber während der Vater noch schimpfte, trat er lebhaft und fröhlich ein. Bei ihm war die große Nase der Fouans abgeplattet, während sich der Unterteil des Gesichts, die Kiefer als gewaltige Fleischfresserkinnladen vorschoben. Die Schläfen flohen zurück, der ganze Oberteil des Kopfes verschmälerte sich, und hinter dem lustigen Lachen seiner grauen Augen lag bereits Verschlagenheit und Gewalttätigkeit. Er hatte von seinem Vater das rohe Verlangen, die Versessenheit aufs Besitzen, was beides verschlimmert wurde durch den engstirnigen Geiz der Mutter. Bei jeder Streitigkeit pflegte er den beiden Alten, wenn sie ihn mit Vorwürfen überhäuften, zu antworten: »Hättet mich nicht so machen müssen!«
    »Hört mal, es sind fünf Meilen von La Chamade nach Cloyes«, antwortete er auf das Schimpfen. »Und außerdem, was denn? Ich treffe zur selben Zeit ein wie ihr ... Will man wieder über mich herfallen?«
    Nun stritten sich alle, schrien mit ihren gellenden und lauten Stimmen, die an den Wind auf freiem Felde gewöhnt waren, erörterten heftig ihre Angelegenheiten, ganz so, als wären sie bei sich zu Hause. Die Schreiber, die dadurch gestört wurden, warfen ihnen scheele Blicke zu; da kam auf den Lärm hin der Notar und öffnete abermals die Tür seines Arbeitszimmers.
    »Seid ihr alle da? Na las, kommt rein!«
    Dieses Arbeitszimmer lag zum Garten hin, dem schmalen Erdstreifen, der bis zu den blattlosen Pappeln am Loir hinabreichte, die man in der Ferne erblickte. Als Kaminschmuck stand da eine Stutzuhr aus schwarzem Marmor zwischen Aktenpacken, und nichts weiter als der Mahagonischreibtisch, ein Aktenschrank und Stühle.
    Sofort hatte sich Herr Baillehache an diesem Schreibtisch niedergelassen wie bei einer Gerichtssitzung, während die Bauern, die hintereinander eingetreten waren, voller Verlegenheit zögerten, nach den Stühlen schielten, weil sie nicht wußten, wo und wie sie sich setzen sollten.
    »Nun, setzt euch!«
    Da fanden sich Fouan und Rose, von den anderen geschoben, in der ersten Reihe auf zwei Stühlen; Fanny und Delhomme setzten sich dahinter, ebenfalls Seite an Seite, während sich Geierkopf dicht an der Wand in einer Ecke absonderte und Hyacinthe vor dem Fenster, dessen Licht er mit seinen breiten Schultern wegnahm, allein stehen blieb.
    Ungeduldig geworden, redete ihn der Notar jedoch vertraulich an:
    »Setzt Euch doch, Jesus Christus!« Und Herr Baillehache mußte als erster die Angelegenheit anschneiden: »So, Vater Fouan, Ihr habt Euch also entschlossen, Euern Besitz zu Lebzeiten zwischen Eure beiden Söhne und Eure Tochter aufzuteilen?«
    Der Alte antwortete nicht, die anderen verharrten reglos, ein tiefes Schweigen entstand.
    Der Notar, der diesen schleppenden Gang der Verhandlung gewohnt war, beeilte sich übrigens auch nicht. Sein Amt lag seit zweihundertfünfzig Jahren in der Familie, vom Vater auf den Sohn waren die Baillehaches in Cloyes aufeinander gefolgt, waren vom uralten Blut der Beauce und nahmen von ihrer Bauernkundschaft die bedächtige Schwerfälligkeit, die heimtückische Umsicht an, die mit langen Pausen und unnützen Worten die geringste Verhandlung ertränken. Er hatte ein Federmesser aufgeklappt, er schnitt sich die Fingernägel.
    »Nicht wahr, man muß annehmen, daß Ihr Euch entschlossen habt«, wiederholte er schließlich, die Augen starr auf den Alten gerichtet.
    Dieser drehte sich um, warf einen Blick auf alle, bevor er, die Worte suchend, sagte:
    »Ja, das kann wohl sein, Herr Baillehache ... Ich habe mit Ihnen bei der Ernte davon gesprochen. Sie haben mir gesagt, ich soll mir das mehr durch den Kopf gehen lassen, und ich habe mir das mehr durch den Kopf gehen lassen, und ich sehe, daß es damit trotzdem dahin kommen muß.« Er setzte in unterbrochenen, von fortgesetzten Einwürfen zerschnittenen Sätzen auseinander warum. Was er aber nicht sagte, was aus der in seiner Kehle zurückgestauten Erregung hervorging, war die unendliche Traurigkeit, der dumpfe Groll, das Zerreißen seines ganzen, Leibes, weil er sich von diesem Besitz trennen sollte, den er vor dem Tode seines Vaters so heiß begehrt, später mit einer brünstigen Erbitterung bebaut, dann Fetzen um Fetzen um den Preis filzigsten Geizes vermehrt hatte. Solch ein Stückchen
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