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Die Erde

Die Erde

Titel: Die Erde
Autoren: Emile Zola
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Land bedeutete Monate bei Käse und Brot, Winter ohne Feuerung, Sommer voller Arbeit bei brennender Hitze ohne andere Stärkung als ein paar Schluck Wasser. Er hatte die Erde als Frau geliebt, die tötet und für die man mordet. Weder Gattin noch Kinder, noch irgend jemand, nichts Menschliches: die Erde! Und da war er nun alt geworden, mußte diese Geliebte an seine Söhne abtreten, wie sein Vater sie ihm selber abgetreten hatte, wütend über sein Unvermögen. »Sehen Sie, Herr Baillehache, man muß Vernunft annehmen, es geht nicht mehr mit den Beinen, die Arme sind kaum besser, und freilich, die Erde leidet darunter ... 's hätte noch gehen können, wenn man sich mit den Kindern verständigt hätte ...« Er warf einen kurzen Blick auf Geierkopf und auf Jesus Christus, die sich nicht rührten, die Augen in die Ferne gerichtet hatten, gleichsam hundert Meilen weit weg waren von dem, was er sagte. »Aber was? Soll ich Leute nehmen, Fremde, die uns ausplündern? Nein, das Gesinde, das ist zu teuer, das frißt heutzutage den Verdienst weg ... Ich, ich kann also nicht mehr. Sehen Sie, zu dieser Jahreszeit, nun ja, da habe ich kaum die Kraft gehabt, von den neunzehn Sestern11, die ich besitze, ein Viertel zu bebauen, gerade genug zum Essen, Getreide für uns und Heu für die beiden Kühe ... Na ja, das zerreißt mir das Herz, zu sehen, wie diese gute Erde verkommt. Ja, lieber lasse ich alles fahren, als daß ich diese Pfuscherei mitmache.« Die Stimme versagte ihm, mit einer hilflosen Gebärde brachte er all seinen Schmerz und seinen Verzicht zum Ausdruck.
    Fügsam, erdrückt von mehr als einem halben Jahrhundert Gehorsam und Arbeit, hörte seine Frau neben ihm zu.
    »Neulich«, fuhr er fort, »ist Rose beim Käsemachen mit der Nase reingefallen. Mich, mich haut's schon um, bloß wenn ich im Wägelchen zum Markt fahre ... Und dann die Erde, man kann sie nicht mitnehmen, wenn man von hinnen geht. Man muß sie rausrücken, man muß sie rausrücken ... Schließlich haben wir genug gearbeitet, wir wollen in Ruhe verrecken ... Nicht wahr, Rose?«
    »Gerade so ist's, wie der liebe Gott uns sieht!« sagte die Alte.
    Ein neues Schweigen herrschte, ein sehr langes Schweigen. Der Notar schnitt sich die Fingernägel fertig. Er legte schließlich das Federmesser auf seinen Schreibtisch zurück und sagte dabei:
    »Ja, das sind vernünftige Gründe, man ist oft gezwungen, sich zur Schenkung zu entschließen ... Ich muß hinzufügen, daß sie für die Familien eine Ersparnis ist, denn die Erbschaftssteuern sind höher als die Steuern für die Güterabtretung ...«
    Geierkopf konnte trotz seiner gespielten Gleichgültigkeit nicht den Ausruf zurückhalten:
    »Das stimmt also, Herr Baillehache?«
    »Aber zweifellos. Ihr werdet dabei ein paar Hundert Francs verdienen.«
    Die anderen gerieten in Bewegung, selbst Delhommes Gesicht erhellte sich, während der Vater und die Mutter ebenfalls diese Genugtuung teilten. Es war abgemacht, von dem Augenblick an war es eine beschlossene Sache, da das weniger kostete.
    »Es bleibt mir noch, euch die üblichen Einwände darzulegen«, fügte der Notar hinzu. »Viele tüchtige Köpfe mißbilligen die Güterabtretung, die sie als unmoralisch ansehen, denn sie beschuldigen sie, die Familienbande zu zerstören ... Man könnte wirklich beklagenswerte Tatsachen anführen, die Kinder benehmen sich mitunter sehr schlecht, wenn sich die Eltern von allem entäußert haben ...«
    Die beiden Söhne und die Tochter hörten offenen Mundes, mit zuckenden Augenlidern und bebenden Wangen zu.
    »Mag Papa alles behalten, wenn er so was denkt!« unterbrach Fanny barsch, die sehr empfindlich war.
    »Wir sind immer in der Schuld gewesen«, sagte Geierkopf.
    »Und vor der Arbeit haben wir keine Angst«, erklärte Jesus Christus.
    Mit einer Handbewegung beruhigte Herr Baillehache sie.
    »Laßt mich also zum Ende kommen! Ich weiß, daß ihr gute Kinder seid, ehrbare Arbeiter; und bei euch besteht sicher keine Gefahr, daß eure Eltern es eines Tages bereuen.« Er legte keinerlei Ironie hinein, er wiederholte den freundlichen Satz, der ihm bei seiner fünfundzwanzigjährigen Berufsgewohnheit glatt über die Lippen floß.
    Die Mutter aber ließ, obgleich sie nicht begriffen zu haben schien, ihre eng zusammenstehenden Augen umherschweifen, von ihrer Tochter zu ihren beiden Söhnen. Sie hatte sie alle drei aufgezogen, ohne Zärtlichkeit, mit der Kälte einer Frau, die sparsam wirtschaftet und die den Kleinen vorwirft, zuviel von dem
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