Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Erben

Die Erben

Titel: Die Erben
Autoren: EJ Waldau
Vom Netzwerk:
Aufregung mein Fahrrad in das Auto unseres Nachbarn gefahren. Meiner Meinung nach lag das vor allem daran, dass es im Winter echt kalt ist und sich Fahrräder und Eis nicht besonders gut miteinander vereinbaren lassen, aber da ich nur wenige Tage später eine teure Steinvase meiner Mutter umgeworfen hatte, waren sie überzeugt, dass mir Aufregung dieser Art nicht gut tat. Vielleicht hatten sie ja auch Recht damit.

Nichts desto trotz irritierte mich der übertrieben herausgeputzte Tisch und gerade, als mir dämmerte, woran es liegen könnte, klatschte sich mein Vater vorfreudig in die Hände und schaute erwartungsvoll in die Runde.

„So, habt ihr die Neuigkeiten denn schon gehört?“, fragte er mit einem Lächeln, das sich wie immer halb unter seinem schon ergrauten Bart versteckte und seine Backen bis unter die Augen wölben ließ.

„Was für Neuigkeiten?“, erwiderte ich, auch wenn ich bereits dunkel ahnte, was kommen würde.

„Glenn, glaubst du, ich erzähl das den Kindern, wenn du noch nicht da bist?“, empörte sich Mum und stemmte die Hände in die Seiten. Ihre Lieblingsgeste.

„Entschuldigung“, murmelte Dad nur und setzte sich schweigend auf seinen Stuhl.

„Was für Neuigkeiten?“, wiederholte ich meine Frage ein wenig lauter und meine Mutter machte eine offizielle Geste.

„Also, Thor, Lyn, wir haben euch etwas mitzuteilen“, eröffnete sie ihre Rede und ließ sich langsam am Tisch nieder. „Euer Vater hat bereits vor einiger Zeit eine neue Stelle angeboten bekommen.“

Bedeutungsschwere Pause.

„Da wir es Lyn nicht wieder antun wollten, dass sie während des Schuljahres die Schule wechseln muss haben wir erst einmal abgewartet, doch das Angebot steht noch immer und nach reiflicher Überlegung haben wir uns entschlossen, dass wir annehmen. Wir werden also in vier Wochen in die Nähe von Gloucester, Massachusetts ziehen.“ Sie klatschte in die Hände, als Zeichen, dass sie fertig war und gespannt sahen unsere Eltern zu meinem Bruder und mir.

Das hieß, vor allem zu mir.

Dass Thor begeistert sein würde, war anzunehmen gewesen. Er lebte in Gloucester und dass seine Eltern jetzt auch dorthin ziehen würden, bedeutete für ihn vor allem, dass er nicht mehr selbst kochen musste, wenn Vakuum-Birne nicht da war.

Bei mir war das allerdings etwas schwieriger.

Ich hatte nicht das Gefühl, dass in meinem Gesicht noch sonderlich viel Ordnung herrschte, als ich meine Familie anstarrte. Und auch in meinem Kopf war Ausnahmezustand angesagt.

Umziehen also. Schon wieder.
    Nachdem wir bereits in Schottland, England, Frankreich und Südafrika gelebt hatten, war Danbury bereits unsere fünfte Heimat und Umzüge waren somit für mich eine verhasste Selbstverständlichkeit geworden. Seit Frankreich hatte ich mir sogar das Kistenauspacken weitgehend abgewöhnt.

Der Grund war immer der Beruf meines Vaters als Journalist gewesen.

Mehr wusste ich nicht und wollte ich auch nicht wissen.

Als ich jedoch den Blick wieder auf meine Familie richtete, musste ich schlucken. Es war zu deutlich, dass sie ohne mein Einverständnis ernsthafte Überlegungen anstellen würden, doch in Danbury zu bleiben. Wahrscheinlich bekamen sie langsam ein schlechtes Gewissen.

Dieser Umstand machte es mir allerdings so gut wie unmöglich, meinen Missmut zu äußern.

Wer schaffte es schon, einem kleinen grinsenden Mann mit weißem Bart, der locker als Vertretung des Weihnachtsmanns durchgehen könnte, und einem ebenso breit grinsenden Muttertier zu sagen, dass man keinen Bock hatte?

Ich jedenfalls nicht.

Es würde wohl viele in meiner Schule überraschen, aber so viel Taktgefühl hatte ich.

Da das mit dem Freuen aber auch nicht so wirklich klappen wollte, entfuhr mir ein „Oh super“, das so falsch und unehrlich klang, dass man schon hätte taub sein müssen, um meine Reaktion als Freude aufzufassen.

Meine Eltern schienen jedoch einen tauben Tag eingelegt zu haben, denn sie schlugen sich in die Hände, meine Mutter gab mir einen viel zu feuchten Kuss auf die Wange (und quiekte „Danke mein Schatz“) und mein Vater drückte mich an sich.

Ja, sie waren warmherzige Menschen.

Und standen total auf Körperkontakt.

Ich nicht so ganz, aber nun gut.

Was will man machen?

„Ihr zieht also schon wieder weg?“ Belle sah mich am nächsten Tag in der Schule mit ihren großen blauen Augen an und machte tatsächlich den Eindruck, als sei sie traurig darüber, dass wir uns nicht mehr jeden Tag sehen konnten.

Seit drei Jahren ging
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher