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Die Erben der Schöpfung

Die Erben der Schöpfung

Titel: Die Erben der Schöpfung
Autoren: Jeffrey Anderson
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Lagerfeuergeschwätz ab.
    Eine kürzlich abgereiste Zoologie-Praktikantin hatte Jamie anvertraut, sie habe gehört, Paulo hätte früher exotische Vögel gewildert. Das passte schon besser. Auf jeden Fall kannte er den Regenwald, zwar nicht wie ein Wissenschaftler, der einhundertvierzehn Arten blühender Yucca aufzählen konnte, aber er schien ein unerschöpfliches Geheimwissen über die ungeschriebenen Gesetze zu besitzen, die das Leben im Wald regierten.
    Außerdem hatte die Praktikantin gesagt, dass Paulo schwul sei. Zumindest hatte sie diesen Schluss gezogen, nachdem sie in einem String-Bikini an ihm vorbeiparadiert war. Nur ein einziger Blick, hatte die Praktikantin empört berichtet, und der war noch dazu irgendwie brüderlich.
    Jamie hockte sich gegenüber von Paulo auf eine Kiste. Sie ließ einen Fuß über der kalten Asche in der Feuerstelle baumeln und sah durch das Moskitonetz in den Wald. Nebelschwaden zogen durch die riesigen Farnwedel am Rand der Lichtung wie heißer Atem durch die Fangzähne eines Raubtiers. Sie nippte an ihrem Krug.
    »Fauler Vormittag?«, fragte Paulo. Er war einen Kopf größer als sie und besaß die Statur, die man bekommt, wenn man sein Leben im Freien verbringt statt vor dem Computer.
    Jamie beneidete ihn um seine ruhigen braunen Augen. Noch nach zwei Jahren konnte sie im Wald nicht so gelassen dreinschauen wie er. Für sie war es immer noch eine exotische Wildnis, kein Zuhause. Für Jamie war zuhause da, wo man einen High-Speed-Internetanschluss, Choco-Krispies und stapelweise Zeitschriften hatte. Der Regenwald am Amazonas scherte sich nicht im Geringsten darum, es Mathematikern gemütlich zu machen, nicht einmal so außergewöhnlichen wie Jamie.
    »Sozusagen. Ich habe letzte Nacht Simulationen durchlaufen lassen.«
    »Irgendwas Neues?«, erkundigte sich Paulo.
    »Nichts. Ich hab noch nicht genug Daten.« Wobei es wahrscheinlich auch bleiben würde.
    »Ich hab immer noch das tolle Bananendessert auf der Zunge, das du gestern Abend gemacht hast.«
    Jamie hätte sich am liebsten die Zunge abgebissen. Warum eine so klar denkende und prägnante Person wie sie den schlimmsten Blödsinn von sich gab, sowie sie mit Paulo allein war, war ihr schleierhaft.
    »Ach so, danke.« Diesmal lächelte Paulo nicht ganz so verhalten.
    Sie beugte sich leicht vor, um ihr Minimal-Dekolleté zum größtmöglichen Nutzen einzusetzen. »Gibt es irgendwas Neues in der Gerüchteküche?«
    Paulo dachte einen Moment nach. »Kennst du das Forschungsgelände ein Stück flussabwärts? Gleich hinter dem Vicioso? Da war in letzter Zeit unheimlich viel Betrieb.«
    »Nein. Ich wusste gar nicht, dass dort überhaupt irgendwas ist. Mann, das ist ja praktisch gleich nebenan. Wie konnte ich das übersehen?«
    »Es liegt am anderen Ufer. Ich sehe es, wenn ich Versorgungsfahrten mache. Sie bemühen sich ziemlich, nicht aufzufallen, aber heute war ein ganzes Bataillon dort, um irgendeine Maschine zu bewegen.«
    »Was für eine Maschine denn?«
    »Weiß ich nicht genau. Ich habe die Hafenarbeiter gefragt, und sie meinten, es sei eine Art medizinischer Bildgebungsapparat, vielleicht so was wie ein Kernspintomograf. Aber letztlich konnten sie sich nur darauf einigen, dass es groß und schwer war.«
    »Ein Kernspintomograf? Das wäre ja eine Premiere hier, mitten im Dschungel. Wahrscheinlich war es nur eine Planierraupe oder so was.«
    »Wahrscheinlich.« Paulo klappte sein Messer zu und erhob sich.
    »Gehst du schon?« Jamie ließ sich ihre Enttäuschung absichtlich anhören.
    »Ich muss Treibstoff für die Generatoren besorgen – und dafür wird es langsam Zeit.«
    »Ach.«
    »Jamie?« Paulo beugte sich zu ihr und hielt ihr eine Hand hin, um ihr aufzuhelfen. »Es tut gut, mit dir zu reden. Wenn du Lust hast, mal nach dem Abendessen bei mir vorbeizuschauen…«
    Endlich.
    Sie lächelte und nahm seine Hand. »Aber gern.«
    Jamie verließ das Gemeinschaftsquartier, trat mit dem Stiefel gegen eine Baumwurzel und marschierte zu ihrer Forschungsstation, die einen halben Kilometer weit im Wald lag. Das Labor hatte sie lediglich dreihundertzwanzig Dollar gekostet, dazu die Instrumente, die sie zu seiner Einrichtung mitgebracht hatte. Die Hälfte des Betrags hatte sie für eine Aluleiter und ein Nylonseil ausgegeben. Sie hatte den ganzen Bau selbst errichtet, fünfunddreißig Meter hoch oben in einem die meisten anderen überragenden immergrünen Baum. Die Plattform maß fünf Meter im Quadrat und ruhte auf einer Gabelung dreier
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