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Die Erben der Schöpfung

Die Erben der Schöpfung

Titel: Die Erben der Schöpfung
Autoren: Jeffrey Anderson
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Erste gab er sich damit zufrieden, die Zelle einfach zu betrachten, die allem anderen, was er kannte, so sehr ähnelte und doch ganz anders war. Sehr gut.

    Und Gott segnete den siebten Tag und erklärte ihn für heilig; denn an ihm ruhte Gott, nachdem er das ganze Werk der Schöpfung vollendet hatte.

    Er würde die Zelle dazu bringen, zu wachsen und sich zu vermehren. Und dann würde er ruhen.

I. TEIL
      
    DER ACHTE TAG
      

    Nach jüdisch-christlichem Glauben wurden die Menschen von Gott geschaffen und mit dem Wissen begabt, Gut und Böse zu erkennen und zwischen den beiden wählen zu können… Die Neurowissenschaften stellen das Konzept des freien Willens infrage. Je besser wir die Abläufe im Gehirn verstehen, desto unwahrscheinlicher wird es, dass die Schaltkreise, die für das Treffen von Entscheidungen zuständig sind, sich in irgendeiner Form von jenen unterscheiden, die niedriger angesiedelte Funktionen bedienen… Die Neurowissenschaftler müssen begreifen, dass die Ergebnisse ihrer Arbeit möglicherweise tief greifende und vielleicht sogar verstörende Schlussfolgerungen nach sich ziehen werden. Wenn sie diese Schlussfolgerungen nicht selbst zur Debatte stellen, werden andere dies an ihrer Stelle tun.
      

    »Does neuroscience threaten human values?«,
    Leitartikel in Nature Neuroscience 1(7), S. 535-536,1998
      

    Da formte Gott, der Herr, den Menschen aus Erde vom Ackerboden und blies in seine Nase den Lebensatem. So wurde der Mensch zu einem lebendigen Wesen.
    Genesis 2,7

1

    Amazonasbecken, Brasilien

    Levine war ein solcher Blödmann.
    Ein Blödmann und ein Blumenkind. Jamie Kendrick wusste nicht, was schlimmer war. Mit Blumenkind meinte sie Botaniker. Und Botaniker hieß für sie ein pedantischer, egomanischer, verknöcherter Müllschlucker eines Stipendiums der National Science Foundation, das lieber an jemanden hätte gehen sollen, der wenigstens wusste, mit welchem Schalter man einen Computer ein- und ausschaltete.
    »Na ja, normalerweise schalte ich ihn ja nicht aus.« Er lächelte mit gesenktem Blick.
    »Ist auch besser so«, erwiderte Jamie über die Schulter.
    Sein Computerproblem fraß an ihrer Zeit. Aber in einem nur mit acht Wissenschaftlern und deren Hilfskräften besetzten Außenposten lohnte es sich, ein wenig Geduld aufzubringen.
    Sie ging am Versorgungszelt vorbei, kehrte in ihre private Nissenhütte zurück und warf einen sehnsüchtigen Blick auf die Decke auf dem Feldbett. Dann sah sie auf die Uhr, rieb sich die Augen und schritt um den Computer herum in die Mitte des Raums. Das Surren, das die jüngsten Berechnungen verursachten, klang wie Hamster auf einem Laufrad. Sie brauchte dringend einen schnelleren Rechner.
    Sie stieg über einen Kleiderstapel, hob ihren kleinen Rucksack auf und trat an den Kaffeebereiter, der auf einer Holzkiste an der Wand stand. Dort nahm sie einen fleckigen braunen Bierkrug vom Haken und schüttelte ihn zweimal aus. Vor ein paar Jahren hatte sie ihn in Zürich gekauft, als sie dort auf einer Tagung einen Vortrag gehalten hatte. Die Zuckerdose war immer noch leer, also schenkte sie sich Kaffee ein und trat erneut ins Camp hinaus.
    Diesmal hörte sie das vertraute Summen der Insekten und spürte die feuchte Luft des späten Vormittags auf der Haut. Sie ging um die Ecke auf das provisorische Gemeinschaftsquartier zu, schob das Moskitonetz am Eingang beiseite und trat ein.
    Aus dem Tag konnte doch noch etwas werden. Paulo saß allein auf einem Baumstumpf am anderen Ende der Kiva und schnitzte an einem frischen Stück Mahagoni.
    »Soll ich dir einen Kaffee holen, Seemann?« Jamie zuckte fast unter ihrem eigenen schlechten Witz zusammen.
    »Nein, danke«, sagte Paulo mit verhaltenem Lächeln.
    Paulo Domingues war überhaupt kein Seemann. Er war ein waschechter Brasilianer, der jahrelang eine lose Arbeitsgemeinschaft von Gastwissenschaftlern organisiert hatte, die im Amazonasbecken westlich von Manaus Feldforschung betrieben. Er war schwerer zu knacken als eine Paranuss. Noch jetzt, nach zwei Jahren, hatte Jamie nur ganz allmählich ein wenig an seiner Schale aus unverbindlicher Höflichkeit kratzen können.
    Von Anfang an hatte sie sich gefragt, was hinter dieser übertrieben höflichen Fassade stecken mochte. Natürlich gab es Gerüchte. Einer der älteren Botaniker behauptete in angetrunkenem Zustand einmal, Paulo sei ein ehemaliger Militär und vielleicht sogar Mitglied der Special Forces gewesen. Doch angesichts der Quelle schrieb Jamie das als
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