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Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition)

Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition)

Titel: Die Erben der Nacht - Oscuri: Band 6 (German Edition)
Autoren: Ulrike Schweikert
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auf dem nächtlichen Bahnsteig. Als die Vampire das Bahnhofsgebäude verließen, hob sie den Blick, doch sie rührte sich nicht vom Fleck. Das hagere Gesicht zeigte keine Emotionen, nur der Glanz in den tief liegenden Augen verriet, dass er sie gesehen hatte.
    Alisa hielt inne, als sie den Blick auf sich ruhen spürte. Sie kniff die Augen zusammen und witterte in die Nacht.
    Was war das dort vorne für ein Schatten? Einer der Oscuri, der gekommen war, um zu sehen, ob sie Venedig auch wirklich verließen, so wie sie es Calvino zum Abschied zugesichert hatten, als sie ihn und Doriana noch einmal im Palazzo Dario aufgesucht und den beiden all die Schätze zurückbrachten, die sie aus der geheimen Kammer des Palazzos entwendet hatten  – bis auf ein Kollier aus Diamanten, das Anna Christina sich um den Hals legte.
    »Nehmt es als zweites Hochzeitsgeschenk«, sagte Leo, als er das letzte Gemälde vor ihnen abstellte, mit einem Hauch von Spott in der Stimme.
    »Es gehört Ihnen«, ergänzte Alisa. »Egal, für welches Leben Sie sich entscheiden, es dürfte Ihnen den Start erleichtern.«
    Calvino und Doriana bedankten sich. »Wir werden zu den meinen zurückkehren. Ich bin ein Oscuro und werde es auch bleiben, doch ich werde die Stelle des Padre an meinen Bruder Michele abgeben.«
    So hatten sie Abschied genommen. Es war den beiden nicht leichtgefallen, Nicoletta ziehen zu lassen, doch was blieb ihnen anderes übrig?
    Nun auf dem nächtlichen Bahnhof fragte sich Alisa für einen Moment, ob dort vorn einer der Oscuri stand, doch sie verwarf den Gedanken sogleich wieder.
    Das war kein Mensch. Er strahlte die gleiche Magie aus, die Vampiren zu eigen ist, und doch hatte er eine warme Aura, die ausschloss, dass es sich um ihresgleichen handelte. Auch die anderen hatten ihn entdeckt und zögerten nun. Sie hatten nicht damit gerechnet, um diese Zeit hier jemanden anzutreffen. Wenn sie zu ihrem Waggon wollten, mussten sie an ihm vorbei. Sollten sie warten, bis er weg war, ehe sie einstiegen?
    Da wandte sich die Gestalt ihnen zu und kam in langen Schritten den Bahnsteig entlang. Leo stieß mit einem Keuchen die Luft aus.
    »Das gibt es doch nicht!«
    »Was?«, wollte Alisa gerade fragen, als ihr Geist das Bild der Gestalt erfasste. Ein großer Mann mit hagerem Leib und einem ernsten Gesicht. Weißes Haar hing ihm bis auf die Schultern herab und in seinen Augen schien ein gelber Schimmer aufzublitzen.
    »Seymour!«
    Der Werwolf hielt einige Schritte vor ihnen und deutete eine Verbeugung an. »Ich bin zur Zeit der ersten Herbststürme von Irland aus aufgebrochen und habe einen langen Weg hinter mir. Ja, ich gestehe, ich dachte nicht, dass es so mühselig werden würde, euch aufzuspüren.«
    »Und doch hast du uns gefunden«, sagte Alisa warm. »Wir grüßen dich herzlich!« Sie trat vor und umarmte ihn. Er lies es stoisch über sich ergehen, doch dann zeigte sich so etwas wie ein Lächeln auf seinem Gesicht.
    Er ließ seinen Blick über ihr schmutziges und zerknittertes Kleid wandern. »Mir kommt der Verdacht, dass aufregende Nächte hinter euch liegen. Vielleicht werde ich die Gelegenheit bekommen, dass ihr mir in Ruhe davon erzählt. Ich hoffe, wir haben dazu Zeit, sehr viel Zeit, wenn  … «
    Alisa hob fragend die Brauen. »Wenn was?«
    »Wenn ihr euch entschließt, mit mir nach Irland zu reisen.«
    Sie sahen den Werwolf an. Es war schwer, in seinen Gedanken zu lesen. Selbst den Dracas fiel das nicht leicht.
    »Was ist geschehen?«, erkundigte sich Leo.
    Seymour hob die Schultern. »Von meinen einsamen Wanderungen durch die Moore und über die Berge zu berichten, ist es nicht wert.«
    Alisa spürte den Schmerz, der ihn trieb und den nichts zu heilen vermochte, oder etwa doch? Schwang da nicht ein wenig Hoffnung in ihm und wärmte seine verwundete Seele?
    »Warum bist du dann hier?«, bohrte Leo weiter. »Nicht, weil es dir in deinen Mooren zu langweilig wurde und du uns einen Höflichkeitsbesuch abstatten wolltest  – nachdem du ohne Gruß aus London verschwunden bist!«
    Er nahm den Vorwurf mit einem Achselzucken zur Kenntnis.
    »Ich bin gekommen, weil ich euch bitten möchte, mir zu helfen.«
    »Wobei?«, mischte sich Alisa wieder ein.
    »Ivy zu finden.«
    Die Vampire schwiegen und starrten Seymour verblüfft an.
    »Ivy ist tot«, erinnerte ihn Alisa. »Sie starb im Kampf gegen Dracula. Er hat sie mit sich gerissen, als er vernichtet wurde.«
    »Das weiß ich! Ich kann an nichts anderes denken. Du musst mich nicht daran
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