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Die Erben der Nacht 04 Dracas

Die Erben der Nacht 04 Dracas

Titel: Die Erben der Nacht 04 Dracas
Autoren: Schweikert Ulrike
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Alsergrund, das ebenfalls von Kaiser Joseph II. gegründet worden war und zu seiner Zeit als eines der besten und modernsten galt. Doch auch Ludwig van Beethoven ruhte auf dem mehrfach erweiterten Friedhof, Karoline Pichler und die Eltern Franz Schuberts.
    Inzwischen jedoch hatte der Währinger Friedhof seine Tore längst geschlossen. Die Toten dämmerten still dem Zerfall entgegen. Kein Sterblicher störte ihre Ruhe, keine Gräber wurden mehr ausgehoben und kein Totenkondukt zog mit Wagen und Fackelträgern durch die inzwischen verrosteten Tore, seit Kaiser Franz Joseph im Süden der Stadt den riesigen Zentralfriedhof hatte anlegen lassen. Somit war hier ein geeigneter Rückzugsort, wo man keine Überraschungen fürchten musste.
    Die Raben landeten auf einer düsteren Eibe inmitten des Friedhofs. Sie brauchten nicht lange zu warten, da bewegte sich die schwere Steintür einer Familiengruft mit einem schabenden Geräusch und eine Frau erschien in der Öffnung. Sie war groß und hager. Ihr langes, dunkles Haar rahmte das unnatürlich weiße Gesicht ein, das an Hals und Schläfe Narben trug. Die schwarzen Augen wurden von fein gebogenen Brauen überwölbt. Sie streckte die Hand aus. Der Einäugige erhob sich von seinem Ast, segelte herab und landete auf ihrem Arm.
    »Was habt Ihr zu berichten?«, fragte die Frau mit rauer Stimme. Der Rabe öffnete den Schnabel, doch es drang kein Laut aus seiner Kehle. Dennoch nickte die Frau mit grimmiger Miene.
    »Gut, dann wird es Zeit zu handeln.« Sie hob die Stimme. »Kommt alle hervor! Die Erben sind nun vollzählig im Haus der Dracas versammelt.«
    Der Rabe erhob sich wieder in die Lüfte und kehrte zu seinesgleichen
auf den Baum zurück, während überall auf dem Friedhof Stein auf Stein scharrte, sich Grüfte öffneten und Steinplatten über Gräbern zur Seite geschoben wurden.

DAS PALAIS COBURG
    »Willst du mich nicht begleiten?« Bram Stoker schenkte seinem Freund noch etwas dunkelroten Portwein nach, der einen erdigen Geruch verströmte. Dem jungen Mädchen an seiner Seite reichte er eine frische Limonade.
    Oscar Wilde trank einen Schluck und stellte dann das Glas mit einem breiten Lächeln ab. »Wohin? Nach Wien? Den verstaubten Habsburgkaiser und seine verrückte Kaiserin besuchen? Wobei die schöne Sisi zu dieser Jahreszeit vermutlich eher irgendwo hier in England halsbrecherische Jagden reitet, als an der Seite ihres Gatten das Reich zu regieren, oder zumindest das, was davon noch übrig ist. Der Kaiser zeigt eine seltene Gabe, Ländereien zu verlieren.«
    »Du bist ein wenig ungerecht«, widersprach Bram Stoker. »Nur weil er sich in Italien überschätzt hat.«
    »Nur? Es war eine maßlose Selbstüberschätzung, das oberste Kommando zu übernehmen!«, widersprach Oscar Wilde.
    Bram nickte. »Ja, dass er kein General Radetzky ist, musste Kaiser Franz Joseph schmerzlich erfahren.«
    »Er? Seine Armee! Sie wurde geradezu …«
    Das Mädchen nippte an seiner Limonade und seufzte gelangweilt auf, was die beiden Männer davon abhielt, weiter über Politik zu sprechen.
    »Und was ist mit dir, Latona? Möchtest du mich auf meiner Reise begleiten?«
    Bram betrachtete das junge Mädchen an seiner Seite und versuchte, sich seine Sorge nicht anmerken zu lassen. Obwohl er es ihr den Sommer über an nichts hatte fehlen lassen, waren ihre Wangen
eingefallen und unter ihrem eng anliegenden Mieder zeichneten sich die Rippenbögen ab. Sie war sicher schon immer schlank gewesen, doch ihre jetzige Erscheinung schien ihm nicht gesund. Und so sehr die Gesellschaft einen hellen Teint schätzte, ihre Blässe ließ sie fast geisterhaft erscheinen, was das dunkle Haar, das sie von ihrer italienischen Mutter geerbt hatte, noch betonte.
    Vampirhaft, korrigierte Bram seine Worte und wieder spürte er die Sorge um sie wie einen Stich.
    »Was soll ich in Wien?«, fragte das Mädchen ein wenig bockig.
    »Mich ins Theater oder in die Oper begleiten? Vielleicht gar auf einen Ball, bei dem der berühmte Johann Strauss zum Walzer aufspielt?«, schlug Bram freundlich vor, ihren ablehnenden Tonfall ignorierend.
    Latona wirkte nicht interessiert. War das für ein Mädchen ihres Alters normal? Vielleicht war sie kränker, als er dachte. Befallen von einer Seuche, die man unter Menschen sonst nicht kannte. Der Vampir hatte sie gebissen und ihr viel Blut ausgesaugt. War ihre Schwäche nur eine Folge des Blutverlustes oder ging etwas Unheimliches in ihr vor, das er nicht zu benennen wusste? Bram hätte sie
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