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Die Entscheidung

Die Entscheidung

Titel: Die Entscheidung
Autoren: Lisa J. Smith
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Schreibunterlage aus Filz.
    »Vielleicht auf den Regalen«, sagte sie.
    Sie ging zu einem der Bücherregale und legte den Kopf schräg, um die Buchrücken zu mustern. Es war ein in Leder gebundenes Buch gewesen, und sie war sich sicher, dass sie es sofort erkennen würde, wenn …
    »Ich hab’s!«, rief sie plötzlich und griff danach. Sie schlug es auf und erkannte die starke Handschrift ihres Großvaters. Dann blickte sie wieder auf das Regal. »Oh Gott, es gibt nicht nur ein Tagebuch. Sondern drei. Wir werden sie alle lesen müssen.«
    »Wir wechseln uns ab, genauso wie du gesagt hast.« Dee deutete mit dem Kopf zur Treppe. »Du und Michael, ihr geht nach oben und schlaft ein wenig – ihr seid müder als wir. Audrey und ich können anfangen zu lesen.«
    Jenny schlief drei Stunden lang auf der Couch im Wohnzimmer – sie konnte sich nicht überwinden, eins der Schlafzimmer zu benutzen –, bevor sie wieder nach unten ging, um zusammen mit Michael Dee und Audrey abzulösen. Sie kaute an einem von Dees Energy-Riegeln
mit Malz und Nüssen, während sie las. Sie hatte zwar keinen Hunger und hasste schon allein die Konsistenz dieser Riegel, aber sie wusste, dass sie eine Stärkung dringend gebrauchen konnte.
    Die Tagebücher waren seltsam. Ihr Großvater hatte zwar alles mit der Präzision eines Wissenschaftlers aufgeschrieben, aber der Inhalt war bizarr – manchmal geradezu Furcht einflößend. Es ging fast ausschließlich um die Möglichkeit, die Schattenmänner herbeizurufen.
    Die Schattenmänner, dachte Jenny. Die Aliens, die Elfen, die Besucher, die Anderen. Jedes Zeitalter hatte seine eigene Bezeichnung dafür. Diejenigen, die einen aus der Dunkelheit heraus beobachteten; diejenigen, die einen manchmal an ihren eigenen Ort brachten.
    Jenny blickte unwillkürlich zu dem Wandschrank hin über. Die Tür stand offen, und ihr Magen verkrampfte sich. Dorthin hatten sie ihn gebracht. Durch diese Tür – an jenen anderen Ort, der parallel zur menschlichen Welt existierte, ohne sie jemals zu berühren. Die Schattenwelt.
    Ihr Großvater hatte die Geister wegen ihrer Macht gerufen. Doch am Ende waren sie viel zu mächtig für ihn gewesen.
    Ein Ausdruck in dem Tagebuch erregte Jennys besondere Aufmerksamkeit. Wandler zwischen den Welten. Ihr Herz begann zu hämmern, während sie die starke schwarze Schrift darum herum entzifferte:  … selbst ein
Wandler zwischen den Welten zu werden, wenn die Gefahr nicht so groß wäre. Es gibt mehrere Methoden, um  – etwas Unleserliches – … aber die, die ich für die erfolgversprechendste halte, ist der Kreis aus Runen …
    »Runen«, flüsterte Jenny. Das magische Alphabet, das Julian und ihr Großvater benutzt hatten, um den Schleier zwischen den Welten zu durchdringen. Sie betrachtete die Zeichnung unter dem Geschriebenen. »Michael, ich hab’s.«
    »Wirklich?«
    Jenny las noch ein wenig weiter, und ihre Finger verkrampften sich um den ledernen Einband des Buches. »Wirklich. Hol Dee und Audrey. Und bring ein Messer mit.«
    Sie hatten Toms Schweizer Armeemesser mitgenommen, und Dee hatte von ihren Kajakabenteuern ein Flussmesser mit einer mehr als zwölf Zentimeter langen Klinge dabei.
    »Wir müssen diese Runen in eine Tür meißeln, oder vielleicht besser gesagt schnitzen«, erklärte Jenny. »Dann beflecken wir sie und dann  …«
    »Womit beflecken?«, erkundigte Michael sich argwöhnisch.
    »Mit Blut. Womit sonst? Keine Sorge, Michael, ich werde mich darum kümmern. Lass uns die Tür zum Keller nehmen – nicht von der Kellerseite, sondern von außen. Sie ist glatt, und man kann gut etwas darauf zeichnen.«

    Es war seltsam, wie einfach und alltäglich ihr Vorhaben erschien. Niemand warf Jenny einen skeptischen Blick zu. Niemand zweifelte daran – nicht einmal Michael. Sie gingen auf die gleiche Weise vor wie damals, als sie in Toms Zimmer ein Regal aufgebaut hatten. Michael las die Anweisungen aus dem Tagebuch laut vor; die anderen führten sie aus.
    »Zwei Kreise, einer im anderen. Hier steht nicht, wie groß sie sein sollen«, sagte Michael. »Aber lasst Platz für die Runen, die zwischen die beiden Kreise gehören.«
    Mit einem Filzstift zeichnete Jenny die Kreise auf die glatte Eichentür.
    »Okay, jetzt die Runen. Zuerst Dagaz. Die gehört ganz nach oben und ist so geformt wie eine Sanduhr, die auf der Seite liegt«, erklärte Michael. Jenny zeichnete die eckige Form auf den oberen Rand des inneren Kreises. »Hier steht, dass Dagaz wie ein Katalysator
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