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Die Entscheidung

Die Entscheidung

Titel: Die Entscheidung
Autoren: Lisa J. Smith
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dem wir eigentlich ein paar Tage auskommen wollten. Wir sind pleite, Prinzessin.«
    Für einen Moment schwiegen alle betroffen. »Es ist meine Schuld«, murmelte Jenny schließlich. »Ich hätte besser mitdenken sollen. Jetzt bleibt uns nichts anderes übrig, als heute Nacht alles zu erledigen – wegen Mrs Durash und dem Geld. Aber sobald wir fertig sind, müssen wir uns keine Sorgen mehr machen. Außerdem können zwei von uns schlafen, während die anderen beiden die Sachen meines Großvaters durchsehen – wir werden uns abwechseln, okay? Und wir essen einfach die Energy-Riegel, die wir mitgebracht haben.«
    »Aber wenn wir es heute Nacht nicht finden … ?«
    »Wir müssen es finden«, unterbrach Jenny Michael. »Und wir werden es finden – weil wir müssen.«
    In dem alten Backsteinhaus gab es immer noch Strom, wahrscheinlich für die Alarmanlage. Trotzdem war es darin irgendwie unheimlich, mit den mit weißen Laken verhängten Möbeln und den stehen gebliebenen Uhren an den Wänden. Jennys Gefühle fuhren Achterbahn: Die Dinge um sie herum waren ihr vertraut und fremd zugleich.
    Das Schlimmste war der Keller. Vor der Treppe streikten Jennys Beine. Zum letzten Mal hatte sie diesen Ort in ihrem Albtraum gesehen, in einer von Julian erschaffenen Halluzination – aber wirklich hier gewesen war sie seit über zehn Jahren nicht mehr. Seit dem Tag, an dem
die Nachbarn schreckliche Schreie gehört hatten und die Polizei die Treppe hinuntergerannt war, um die fünf Jahre alte Jenny auf dem Boden vorzufinden, die Arme zerkratzt, die Kleider zerrissen, das Haar ein wildes blondes Wirrwarr. Sie hatte unaufhörlich geschrien und eine offene Schranktür angestarrt, in die ein seltsames Symbol gemeißelt war. Ihre Schreie hatten den größten der Polizisten dazu veranlasst, in Windeseile nach oben zu rennen, um die Sanitäter zu rufen.
    Die Polizei glaubte, dass ihr Großvater ihr etwas angetan habe. Natürlich vermutete niemand auch nur ein Fünkchen Wahrheit in der wirren Geschichte der Fünfjährigen über Eis und Schatten und hungrige Augen, die versucht hatten, sie zu holen. Und darüber, wie stattdessen ihr Großvater geholt worden war.
    Die Polizei glaubte, dass ihr Großvater wahnsinnig gewesen sei – und als sie jetzt, nachdem sie endlich ihre Beine bezwungen hatte, in den Keller hinunterkam, konnte die sechzehnjährige Jenny auch verstehen, warum. Jede Wand, jedes Bücherregal, jede freie Fläche war vollgestopft mit Amuletten, die vor bösem Zauber schützen sollten.
    Gar keine so schlechte Idee für jemanden, der Dämonen beschwören und einfangen wollte, fand Jenny. Aber es sah unbestreitbar seltsam aus.
    »Schaut euch nur mal diese Sachen an!«, hauchte Audrey fasziniert. »Einiges davon ist sicher Müll, aber
ich wette, dass manche Dinge von unschätzbarem Wert sind. Wie das hier zum Beispiel.« Sie trat vor und berührte mit leichter Hand eine silberne Glocke auf einem Regal. »Das ist etwas Chinesisches – ich habe solche Glocken gesehen, als Daddy in Hongkong arbeitete. Man läutet sie, um böse Geister zu vertreiben. Und das – das ist eine tibetische Gebetsmühle. Und dies …« Sie hob ein Armband aus Achat und goldenen Perlen hoch.
    »… ist ägyptisch«, vollendete Dee. »Sieben Perlenstränge, seht ihr? Aba sagt, die Zahl sieben sei den Ägyptern heilig.« Dees Großmutter reiste sehr viel.
    »Und das sind russische Ikonen.« Audrey deutete mit dem Kopf auf einige vergoldete Bilder. »Sehr selten, sehr teuer.«
    »Und das ist aus der Kabbalah«, wusste Michael triumphierend beizusteuern und deutete auf eine Karte an der Wand mit der Überschrift Numerische Werte des hebräischen Alphabets. »Ein magisches hebräisches Weissagungssystem.«
    »Eigentlich müsste das Zeug hier in ein Museum«, stellte Audrey fest.
    Jenny konzentrierte sich auf ihren Atem. Der Raum erschien ihr irgendwie schwer – überladen, bedrückend, voller abgestandener Luft, vermischt mit einer seltsam bebenden Energie.
    Magie, dachte Jenny und versuchte, so zu tun, als bewege sie sich jeden Tag in magischen Räumen. Das ist
schließlich der Grund, warum wir hier sind. Es wird höchste Zeit, mit der Suche zu beginnen.
    Sie zwang sich, zum Schreibtisch ihres Großvaters zu gehen. In ihrem Traum – dem von Julian erschaffenen Traum – hatte das Tagebuch ihres Großvaters auf dem Schreibtisch gelegen. Im wirklichen Leben war das leider nicht ganz so einfach. Auf dem Schreibtisch lag nichts als eine verblasste
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