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Die Entmündigung (German Edition)

Die Entmündigung (German Edition)

Titel: Die Entmündigung (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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Weinreben, wo er mangels einer Vegetation, im Schatten zweier Bäume, auf Papier, alte Wäsche, Scherben und Schutt des Daches stößt; ein unfruchtbares Stück Land, wo mit der Zeit sich auf den Mauern, den Baumstämmen und Ästen ein staubiger Abguß, ähnlich wie kalter Schweiß, abgelagert hat. Die beiden rechtwinklig stehenden Flügel des Hauses erhalten ihr Licht von diesem Gärtchen, das von zwei benachbarten, wie Taubenschläge gebauten, verfallenen und von Einsturz bedrohten Nachbarhäusern umgeben ist, wo man in jedem Stockwerk irgendein groteskes Zeichen des vom Mieter ausgeübten Handwerkes sieht. Hier tragen lange Stangen riesige Flächen gefärbter Leinewand, die trocknet; dort flattern an Stricken gewaschene Hemden; darüber zeigen Bücherreihen auf einem Brett ihren frisch marmorierten Einband; die Frauen singen, die Männer pfeifen, die Kinder schreien; der Tischler sägt Bretter, ein Kupferdrechsler läßt sein Metall knirschen; alle Arten Handwerk bringen zusammen einen Lärm zustande, den die Menge der Instrumente fürchterlich macht. Der Grundstil in der inneren Ausstattung dieses Durchgangs, der weder Hof noch Garten, noch Torweg ist und doch etwas von all diesen Dingen hat, besteht in hölzernen Pfeilern, die auf Steinklötzen stehen und Spitzbogen bilden. Zwei Arkaden gehen nach dem Gärtchen hinaus; zwei andere, der Hintertür gegenüber, lassen eine Holztreppe sehen, deren Geländer einstmals ein Wunderwerk von Schlosserarbeit war, in so bizarren Formen war das Eisen geschmiedet, und deren abgetretene Treppen unter den Füßen wackeln. Die Türen aller Stockwerke hatten von Schmutz, Fett und Staub gebräunte Einfassungen und Doppeltüren, die mit Utrechter Samt verkleidet und mit blind gewordenen, rautenförmig angeordneten goldenen Nägeln besetzt waren. Diese Reste von Glanz bewiesen, daß das Haus unter Ludwig XIV. von einem Parlamentsrat oder von reichen Geistlichen oder von irgend einem Schatzmeister der kirchlichen Nebeneinkünfte bewohnt war. Aber diese Reste alter Pracht machen einen durch den naiven Kontrast zwischen Gegenwart und Vergangenheit lächeln. Herr Jean-Jules Popinot wohnte im ersten Stockwerk dieses Hauses, in dem die bei den ersten Etagen der Pariser Häuser übliche Dunkelheit noch durch die Enge der Straße verdoppelt wurde. Diese alte Wohnung war im ganzen zwölften Bezirk bekannt, dem die Vorsehung diesen Richter zugesandt hatte wie eine heilbringende Pflanze, die jede Krankheit heilt oder lindert. Hier folgt die Skizze dieser Persönlichkeit, die die glänzende Marquise d'Espard verführen wollte.
    Als Richter ging Herr Popinot stets schwarz gekleidet, was ihn in den Augen der Leute, die alles nach oberflächlicher Prüfung beurteilen, lächerlich erscheinen ließ. Aber Leute, die auf die Würde dieser Tracht eifersüchtig sind, müssen peinlich bedacht sein auf ständige und peinliche Sorgsamkeit; der gute Herr Popinot jedoch war außerstande, die puritanische Sauberkeit, die das Schwarz verlangt, auf sich anzuwenden. Sein Beinkleid, das immer abgenutzt aussah, glich dem Stoff, aus dem die Advokatenroben gemacht werden, und seine gewöhnliche Körperhaltung bewirkte eine solche Menge von Falten, daß sie sich stellenweise weißlich, rot oder glänzend darauf abzeichneten und einen schmutzigen Geiz oder eine ganz unbekümmerte Armut verrieten. Seine dicken wollenen Strümpfe zeigten einen merkwürdigen Faltenwurf in seinen vertragenen Schuhen. Seine Wäsche hatte den rötlichen Ton, den sie durch langes Liegen im Wäscheschrank bekommt und der die Leidenschaft der seligen Frau Popinot für Wäsche verriet: nach flämischer Art machte sie sich jedenfalls nur zweimal im Jahre die Unbequemlichkeit, große Wäsche abzuhalten. Rock und Weste des Richters paßten zur Hose, den Schuhen, den Strümpfen und der Wäsche. Seine Sorglosigkeit war ein Glück für ihn, denn wenn er einen neuen Rock anzog, paßte er ihn schnell dem Ensemble seiner übrigen Toilette an, indem er ihn unglaublich schnell fleckig machte. Der Biedermann wartete, bis seine Köchin ihn erinnerte, daß er sich einen neuen Hut kaufen müsse. Seine Krawatte war immer kunstlos um den Hals gebunden, und niemals kümmerte er sich um die Unordnung, die seine Richterbäffchen an seinem umgeschlagenen Hemdkragen hervorgebracht hatten. Sein graues Haar blieb ohne jede Pflege, und er rasierte sich nur zweimal in der Woche. Niemals trug er Handschuhe, sondern steckte gewöhnlich die Hände in seine leeren Taschen,
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