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Die Entmündigung (German Edition)

Die Entmündigung (German Edition)

Titel: Die Entmündigung (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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sie auch nicht ein Wort schreiben, um mir den geringsten Dienst zu leisten, und heute abend hat sie mich mit ihrem Lächeln überhäuft, weil sie glaubte, daß ich auf meinen Onkel Popinot Einfluß hätte, von dem es abhängt, ob sie ihren Prozeß gewinnt ...«
    »Wäre es dir angenehmer gewesen, mein Lieber, wenn sie sich schlecht gegen dich benommen hätte? Ich habe nichts gegen deine Katilinarede über die modernen Frauen; aber du stehst ja hier nicht in Frage. Ich würde immer als Frau eine Marquise d'Espard dem keuschesten, verständigsten, liebevollsten Wesen der Erde vorziehen. Wenn man einen Engel heiratet, dann muß man sich mit seinem Glück weit weg auf dem Lande vergraben. Die Frau eines Politikers ist eine Maschine der Regierung, ein Mechanismus mit schönen Komplimenten und Verbeugungen, sie ist das erste und treueste Instrument, dessen sich ein Ehrgeiziger bedient; und schließlich ist sie ein Freund, der sich ohne Gefahr kompromittieren und den man ohne weiteres desavouieren kann. Denke dir Mohammed im Paris des neunzehnten Jahrhunderts: seine Frau würde eine Rohan sein, klug und schmeichlerisch wie eine Gesandtin, listenreich wie Figaro. Deine Frau voll Liebe führt zu nichts, eine Frau der großen Gesellschaft zu allem, sie ist der Diamant, mit dem ein Mann alle Fensterscheiben durchschneiden kann, wenn er nicht den goldenen Schlüssel besitzt, vor dem sich alle Türen öffnen. Den Bourgeois bleiben alle bourgeoisen Tugenden, den Ehrgeizigen die Laster des Ehrgeizes. Meinst du übrigens, mein Lieber, daß die Liebe einer Herzogin von Langeais oder Maufrigneuse, einer Lady Dudley nicht auch ungeheures Vergnügen verheißt? Wenn du wüßtest, welchen Reiz die kühle strenge Haltung dieser Frauen dem geringsten Beweis ihrer Zuneigung verleiht! Welche Freude es ist, eine Anemone sich unter dem Schnee aufrichten zu sehen! Ein Lächeln hinter dem Fächer straft die Zurückhaltung einer gezwungenen Haltung Lügen und ist mehr wert als alle rückhaltlosen Zärtlichkeiten deiner Bourgeoisen mit ihrer theoretischen Hingebung; in der Liebe ist Hingebung sehr nahe an einer Spekulation. Und dann hat auch eine in Mode gekommene Frau, eine Blamont-Chauvry ihre Vorzüge: das Vermögen, die Macht, den Glanz und eine gewisse Verachtung für alles, was unter ihr steht...«
    »Danke«, sagte Bianchon.
    »Mein alter Bonifazius!« entgegnete Rastignac lachend. »Benimm dich doch nicht so alltäglich, mach es wie dein Freund Desplein: werde Baron, Ritter vom Orden des heiligen Michael, Pair von Frankreich und verheirate deine Töchter mit Herzögen.«
    »Ich? da sollen mich fünfhunderttausend Teufel...«
    »Wie denn, bist du nur in der Medizin den andern überlegen? Wahrhaftig, du tust mir leid.«
    »Ich hasse diese Sorte Menschen, ich wünschte mir eine Revolution, die uns für immer von ihnen befreit.«
    »Also, mein lieber Robespierre von der Lanzette, du wirst morgen nicht zu deinem Onkel Popinot gehn?«
    »Doch,« sagte Bianchon, »wenn es sich um dich handelt, würde ich Wasser aus der Hölle holen...« »Mein lieber Freund, du bist rührend; ich habe geschworen, daß der Marquis enteignet werden soll! Ich finde noch eine alte Träne im Auge, um dir zu danken.«
    »Aber«, fuhr Horace fort, »ich kann dir nicht versprechen, daß ich mit eurem Verlangen bei Jean-Jules Popinot durchdringen werde, du kennst ihn noch nicht; ich werde ihn jedenfalls übermorgen zu deiner Marquise bringen, wenn sie kann, mag sie ihn einwickeln. Aber ich zweifle daran. Mit allen Trüffeln, allen Herzoginnen, allen Poularden und allen Messern der Guillotine vermöchte sie nicht ihn zu verführen; der König könnte ihm die Pairschaft, der liebe Gott ihm die Einsetzung ins Paradies und die Erlösung aus dem Fegefeuer versprechen: keine von diesen Mächten würde es von ihm erreichen, daß er auch nur einen Strohhalm von einer Seite auf die andere der Wage des Rechts lege. Er ist Richter, wie der Tod der Tod ist.« Die beiden Freunde waren vor dem Ministerium des Auswärtigen angelangt, an der Ecke des Boulevard des Capucines.
    »Hier bist du zu Hause«, sagte Bianchon lachend. »Und hier ist mein Wagen«, fügte er hinzu und zeigte auf einen Fiaker. »So läßt sich für jeden von uns die Zukunft zusammenfassen.«
    »Du wirst tief unten im Wasser zufrieden sein, während ich immer auf der Oberfläche mit den Stürmen kämpfen werde, bis ich, scheiternd, einen Platz in deiner Grotte verlange, mein Alter!«
    »Also auf Sonnabend«, versetzte
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