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Die Entfuehrten

Titel: Die Entfuehrten
Autoren: Margaret Peterson Haddix
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Jonas.
    Chip machte schmale Augen.
    »Ich weiß, wie wir das rausfinden«, sagte er.
    Er nahm Jonas den Zettel aus der Hand und ging ans andere Ende des Zimmers, wo Sofas und einige Sessel um eine riesige Heimanlage gruppiert waren. Er griff in ein Fach der Anlage und zog ein schnurloses Telefon heraus.
    »Hier, ich stelle es auf Lautsprecher, damit du mithören kannst.«
    »Chip, ich glaube nicht . . .« Jonas brach ab, weil er selbst nicht erklären konnte, warum er das plötzlich für eine ganz schlechte Idee hielt.
    Chip gab bereits die Nummer ein und bei jedem Eingabeton steigerte sich Jonas’ Besorgnis. Er ging zu Chip hinüber, als würde es die Sache erleichtern, wenn er das Telefon nicht nur hören, sondern auch sehen konnte.
    Es klickte im Hörer, als die Verbindung aufgebaut wurde, dann begann es übergangslos zu klingeln. Einmal, zweimal . . . Wieder klickte es und eine barsche Stimme dröhnte aus dem Hörer: »Federal Bureau of Investigation. Reardon am Apparat.«
    Hastig drückte Jonas auf die Taste, um die Verbindung abzubrechen.

Fünf
    »Warum hast du das gemacht?«, wollte Chip wissen.
    »Ich . . . ich glaube nicht, dass das der richtige Weg ist«, sagte Jonas. »Herumzuschnüffeln und Dokumente zu lesen, die deine Eltern dir nicht zeigen wollen, Leute anzurufen . . . Ich weiß, dass du im Moment stocksauer bist auf deine Eltern. Schön und gut, das kann ich dir nicht verdenken. Aber das hier hilft dir auch nicht weiter. Reg dich erst mal ab und warte, bis sie sich abgeregt haben; dann könnt ihr über alles reden.«
    Chip boxte Jonas gegen die Brust und stieß ihn fort. Das Telefon fiel zwischen ihnen zu Boden.
    »Ich weiß nicht, wie deine Eltern sind«, sagte er schroff. »Aber wenn mein Vater sagt, dass er über etwas nicht mehr reden will, dann . . . dann ist das so!« Er schnappte sich das Telefon und begann wieder Zahlen einzutippen.
    Damit war Familientherapeut als mögliches Berufsziel für Jonas wohl ausgeschieden.
    »Vielleicht solltest du mit dem psychologischen Dienst in der Schule reden oder so was«, sagte Jonas.
    Chip tippte die Zahlen immer wütender ein.
    »Ich bin nicht verrückt!«, sagte er störrisch.
    »Das habe ich auch nicht behauptet«, entgegnete Jonas. Er schätzte, dass Chip inzwischen fünf der aus sieben Zahlen bestehenden Telefonnummer von Reardon eingegeben hatte. »Aber was, glaubst du, hat das FBI mit deiner Adoption zu tun?«
    Chip hörte auf zu tippen.
    Jonas nahm ihm das Telefon aus der Hand und drückte auf die Unterbrechungstaste.
    »Denk mal drüber nach«, sagte Jonas. »Dieser Reardon hat vermutlich gar nichts damit zu tun. Der Haftzettel muss im Safe auf irgendeinem anderen Blatt geklebt haben. Vielleicht . . . ist dein Dad ein Spion oder so was?«
    »Er ist Börsenmakler«, murmelte Chip. Dann räusperte er sich. »Wenn er ein Spion wäre, würde er vermutlich zu den Terroristen gehören.«
    »Vielleicht arbeitet er heimlich für die Regierung«, meinte Jonas, »als eine Art Doppelagent. Er tut so, als würde er für Terroristen Geld waschen, obwohl er in Wirklichkeit die Regierung über alles informiert. Und wenn du diese Nummer wählst und seine Deckung auffliegen lässt, gehen vielleicht fünf Jahre Undercoverarbeit den Bach runter und sie müssen wieder ganz von vorn anfangen. Und du wärst an allem schuld.«
    Jonas hatte einmal einen Film gesehen, in dem das passiert war.
    »Du hältst meinen Vater für einen Helden?«, fragte Chip. »Nie im Leben.«
    Aber er griff nicht wieder nach dem Telefon, um die Nummer zu wählen. Er stand einfach da und sah verloren aus.
    »Ich will doch einfach nur wissen, wer ich bin«, sagte er. Es klang wie ein Wimmern, wie ein Laut, den kein Dreizehnjähriger, der etwas auf sich hielt, vor anderen Leuten von sich geben würde.
    Jonas beschloss, sich nicht darüber lustig zu machen.
    »Das will ich auch«, sagte er.
    »Wirklich?«, fragte Chip und hörte sich immer noch ziemlich jämmerlich an.
    »Na ja. Meine Eltern sind ganz okay und
möglicherweise
gibt es sogar Schlimmeres, als eine Schwester wie Katherine zu haben. Aber manchmal frage ich mich . . . wem ich ähnlich sehe. Und ob meine leiblichen Eltern gute Leute waren, die einfach nur einen Fehler gemacht haben? Oder ob es Junkies, Alkoholiker oder Kriminelle waren . . . und ob sie im Knast sitzen? Oder im Irrenhaus? Ob sie außer mir noch andere Kinder hatten? Und ob sie – ob sie die anderen behalten haben?«
    Manchmal sagte Jonas’ Mutter Dinge wie: »Du hast
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