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Die Entfuehrten

Titel: Die Entfuehrten
Autoren: Margaret Peterson Haddix
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erklären können: »Siehst du? Deinen Eltern muss doch an dir gelegen sein, wenn sie sogar dein Geburtsdatum als Zugangscode zu ihrem Safe verwenden.« Jonas dagegen konnte so etwas Schleimiges unmöglich über die Lippen bringen.
    »Los, mach ihn auf«, sagte Chip. »Ich kann nicht hinsehen.«
    Er hielt sich zitternd die Augen zu, hob aber immer wieder die Hand, um darunter hindurchzuspähen.
    Jonas packte die offen stehende Safetür.
    »Soll ich das wirklich tun?«, fragte er. »Das ist so ähnlich wie einbrechen.«
    Chip funkelte ihn böse an.
    »Du bist in
meinem
Haus«, sagte er. »Und ich habe dich
gebeten
, den Safe aufzumachen.«
    »Aber deine Eltern . . .«
    »Was sie wollen, spielt keine Rolle«, sagte Chip barsch.
    Es gab ein Sprichwort, das Jonas’ Mutter Katherine gegenüber gern zitierte: »Der Lauscher an der Wand hört seine eigene Schand.« Jonas fragte sich, ob das auch für Jungen galt, die Safes öffneten und geheime Unterlagen durchstöberten. Aber auch das war etwas, was er Chip nicht sagen konnte. Er zog die Tür weit auf, griff hinein und nahm die ersten Blätter heraus, die oben auf dem Stapel lagen.
    »Das hier dreht sich alles um den Kauf eures Hauses«, sagte Jonas und blätterte die Seiten durch. »Immobilienkaufvertrag, Versicherungen . . .«
    Chip nahm die Hand von den Augen und schielte auf die Papiere.
    »Vielleicht hat das auch damit zu tun«, sagte er langsam. »Mein Dad hat gesagt, das Haus wäre ein richtiges Schnäppchen gewesen. Vielleicht war es Absicht, dass ich dir begegnet bin, damit ich herausfinde, dass ich selbst auch adoptiert wurde.«
    Jonas legte die Hausunterlagen sorgfältig auf einen Stapel auf den Boden.
    »Von hundert Amerikanern ist ungefähr jeder vierte ein Adoptivkind«, sagte er. »Ich denke, du hättest so gut wie überall hinziehen und dort jemandem begegnen können, der adoptiert wurde. Jetzt hörst du dich genauso verrückt an wie diese Verschwörungstheoretiker, die glauben, dass die Mondlandung niemals stattgefunden hat oder dass die Regierung auf irgendeiner Militärbasis in NewMexico einen Haufen Aliens eingesperrt hat.«
    »Aber das stimmt«, sagte Chip. »Die Aliens gibt es wirklich.«
    »Und das glaubst du?«
    Chip boxte ihm gegen den Arm.
    »Nein. Reingelegt!«
    Jonas war froh, dass Chip seinen Humor noch nicht ganz verloren hatte und völlig durchgeknallt war. Ergriff wieder in den Safe und zog weitere Papiere heraus. Er achtete beim Durchsehen genau darauf, sie nicht durcheinanderzubringen.
    Als er den Stapel zu drei Vierteln durchgesehen hatte, stieß er einen lauten Pfiff aus.
    »Hier ist sie.«
    Er hielt eine Urkunde hoch, auf der stand: GEBURTSURKUNDE – Cook County, Illinois.
    Chip schien völlig vergessen zu haben, dass er zu nervös war, um hinzusehen. Er drängte sich an Jonas’ Schulter.
    »Charles Haddingford Winston der Dritte, wie?«, neckte ihn Jonas.
    Chip zog eine Grimasse.
    »Verrückt, was?«, sagte er bitter. »Ich bin Charles Winston der Dritte. Dabei bin ich nicht mal mit ihnen verwandt. Sie brauchten einfach irgendein Kind, dem sie ihren Namen aufdrücken konnten.«
    »Chip, du
bist
mit ihnen verwandt. Jedenfalls so gut wie. Sie haben dich großgezogen«, sagte Jonas.
    »Aber nicht sehr gut«, erwiderte Chip.
    Jonas warf einen Blick in Chips Gesicht und beschloss, ihm nicht zu widersprechen.
    Er blätterte die restlichen Unterlagen durch. Neben ihm stöhnte Chip auf.
    »Adoptionsagentur ›Familienglück‹?«, murmelte er. »Das kann doch nur ein Witz sein.«
    Etwas rutschte aus dem Papierstapel, den Jonas miteiner Hand auf dem Knie festhielt, während er sich mit dem anderen Knie auf dem Boden abstützte. Als er nach dem davongleitenden Zettel greifen wollte, verlor er das Gleichgewicht und kippte zur Seite. Der ganze Papierstapel rutschte auf den Teppich und verteilte sich vor der Wand.
    »Tut mir leid«, entschuldigte er sich. »Wenn die Reihenfolge nicht mehr stimmt, kann dein Dad erkennen . . .«
    »Ist mir egal«, sagte Chip kalt.
    Seufzend begann Jonas die Papiere aufzusammeln. Als er glaubte, alle beisammenzuhaben, entdeckte er einen gelben Zettel, der unter einem nur wenige Schritte entfernt stehenden Sessel hervorlugte.
    »Der ist an allem schuld«, murmelte er. Er griff unter den Sessel und zog einen gelben Haftzettel hervor.
James Reardon, (513) 555 - 0192
stand darauf. Er hielt den Zettel hoch, damit Chip ihn ebenfalls sehen konnte.
    »Gehörte der zu den Adoptionsunterlagen oder den Hauspapieren?«, fragte
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