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Die Entdeckung der Langsamkeit

Die Entdeckung der Langsamkeit

Titel: Die Entdeckung der Langsamkeit
Autoren: Sten Nadolny
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mit jedem Male mehr die Gewohnheit wachsen, daß sie zu überstehen
sind. Meine Hauptangst war, daß ich Franklin an die penetranten Rüsonnierer aus
Eleanors »Attic Chest« verriet oder sogar an Montagen und die Arthur-Fraktion,
die sich vor Lachen ausschütten würde. Sollte ich mit meinem Versuch, John
durch Langsamkeit interessanter zu machen, scheitern, dann würde ich nicht nur
mich, sondern auch ihn der Lächerlichkeit preisgeben – in diesen Abgrund
schaute ich und sah mich schon hinabstürzen.
    Ich denke, ich kann heute ruhig schreiben, daß mir diese Gedanken
kamen, sie sind geläufig in einem Beruf, der weder auf Gott noch auf den Teufel
ganz verzichten kann. Ich habe Franklin gefunden und geliebt, dann das
Schreiben entdeckt und Franklins Eigenschaften in etwas lockerer Verbindung zu
ihm erfunden und bereue das nicht oder jedenfalls nicht mehr.
    Ich sehe sie lächeln, meinen Vater (ich meine sogar ein
Augenzwinkern zu erkennen), meine Mutter, und übrigens auch Werner Egk. Sie alle
kannten die Nöte, die etwas später, am hellen Tage, für bedenkenswerte
Geschichten sorgen, manchmal sogar für wärmende.
    Und ich habe ihn am Ende doch nicht verloren. John Franklin und ich
haben dieses Buch jetzt hinter uns. Er ist für mich nicht mehr die Romanfigur,
sondern wieder der Freund meiner Jugend. Bücher, so sehr sie ihre Verfasser
durch Hoffnungen und Wonnen, aber auch durch Angst und Verzweiflung jagen,
liegen irgendwann in den Regalen (zumindest denen der Bibliotheken) und
verhalten sich still. Sie werden im Alter umgänglich und sind ausgesprochen
freundlich, wenn doch noch ein Leser kommt. Den Autor behelligen sie nicht
mehr. Für den rückt ohnehin die friedliche Zeit näher, in der er nicht mehr
genau weiß, was er vor Jahrzehnten gewußt und was er sich ausgedacht hat.
    Ich lese nach wie vor Bücher über die Zeit der großen Segelschiffe,
Expeditionen und den Schiffbau, über Schiffskatastrophen aller Jahrhunderte,
und möglichst jedes Buch, das sich mit John Franklin beschäftigt. Und wenn nach
den seltener werdenden Lesungen jemand Fragen stellt wie: »Warum haben Sie
ausgerechnet John Franklin gewählt, um an der Schnelligkeit unserer Zeit Kritik
zu üben?«, dann zucke ich mit keiner Wimper und bin nach Möglichkeit höflich
und ehrlich zugleich.
    Â 
    Sten Nadolny

 
    Bibliographische Notiz
    John Franklin hat gelebt. Seine wirkliche Geschichte hat
zu diesem Roman unzählige Details beigetragen, die mir niemals hätten einfallen
können. Das verpflichtet mich, wenigstens einige Titel aus der Sachliteratur
über den historischen Franklin zu nennen, der in vielen Punkten zweifellos
anders war als der des Romans. Über Franklins Verwandtschaft und die Stadien
seiner Karriere läßt sich Genaueres lesen bei:
    Roderic Owen: The Fate of Franklin, London
    1978, ferner bei: Henry D. Traill: The Life of Sir
John Franklin, R. N., London 1896, vor Owens Buch die klassische
Franklin-Biographie.
    Was auf der Reise nach Lissabon und während der Schlacht von
Kopenhagen im einzelnen geschah, sagen auch diese Autoren nicht. Mehr weiß man über die Australienreise:
    Matthew Flinders: A voyage to Terra Australis, undertaken for
the purpose of completing the discovery of that vast country and prosecuted in
the years 1801, 1802 and 1803 in His Majesty’s Ship The Investigator. Zwei
Bände und ein Atlas, London 1814. Es ist der offizielle Reisebericht.
    Ãœber den großen Navigator Flinders siehe vor allem James D. Mack: Matthew Flinders 1774–1814, Melbourne
1966.
    Zu der ersten Reise ins Eis gibt es den Expeditionsbericht von Frederick W. Beechey: A Voyage of Discovery towards the
North Pole, performed in His Majesty’s Ships Dorothea and Trent, London 1843,
und zu den beiden Landreisen die Berichte von Franklins eigener Hand: John Franklin: Narrative of a Journey to the shores of the
Polar Sea in the years 1819, 20, 21, and 22, London 1823 (im selben Jahr auch
ins Deutsche übersetzt und in Weimar erschienen), ferner: Narrative of a Second
Journey to the Polar Sea in the years 1825, 26, 27, London 1829 (im selben Jahr
deutsch in Weimar). Der Roman folgt von der Hungerreise an nicht der genauen
Chronologie. Bei dem Erlebnis mit dem Indianer Michel sind Franklin und Dr.
Richardson gegeneinander ausgetauscht. Die Leitung einer kriegerischen Aktion
in China wurde Franklin nicht
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