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Die Elfen

Die Elfen

Titel: Die Elfen
Autoren: Bernhard Hennen , James Sullivan
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Kronschmuck dieses Gesichts, das weißblonde Haar der sanfte Rahmen. Er trug die Tracht der Minnesänger, und alles - das Hemd, die Hosen, der Mantel, das Halstuch -war aus feinster roter Feenseide gefertigt. Nur seine Schuhe waren aus weichem Gelgerok-Leder. Noroelle blickte auf seine Finger, die auf der Flöte tanzten. Sie hätte ihrem Spiel den ganzen Tag zuschauen können .
    Während Farodin dem Ideal eines Elfenmannes entsprach, konnte man dies von Nuramon so nicht behaupten. Die Frauen am Hof spotteten offen über sein Aussehen, nur um dann hinter vorgehaltener Hand von seiner andersartigen Schönheit zu schwärmen. Nuramon hatte hellbraune Augen und mittelbraunes Haar, das sich ein wenig wild bis auf seine Schultern wellte. In seiner sandfarbenen Kleidung entsprach er zwar nicht dem Bild eines Minnesängers, bot aber dennoch einen angenehmen Anblick. Statt der Seide der Feen hatte er deren Wollstoffe gewählt, die weit weniger kostbar waren, aber so fest und weich, dass Noroelle beim Betrachten des Hemdes und des waldfarbenen Mantels am liebsten zu Nuramon gegangen wäre, um den Kopf an seine Brust zu legen. Selbst die halbhohen Stiefel, die aus erdfarbenem und besonders weichem Gelgerok-Leder waren, erweckten bei Noroelle den Wunsch, sie zu berühren. Der Ausdruck von Nuramons Gesicht war so wandelbar wie seine Stimme, die alle Formen des Gesangs beherrschte und jeder Gefühlsregung einen treffenden Klang verlieh. Seine braunen Augen aber sprachen von Sehnsucht und Melancholie.
    Farodin und Nuramon waren unterschiedlich, doch jeder war auf seine Art beeindruckend. Beide hatten ihre eigene Vollkommenheit, so wie das Licht des Tages ebenso reizvoll war wie die Dunkelheit der Nacht, oder Sommer und Winter, Frühling und Herbst. Noroelle wollte nichts davon missen, und der Vergleich des Äußeren der beiden Männer brachte sie einer Entscheidung für einen von ihnen nicht näher.
    Bei Hofe hatten manche ihr geraten, sie solle bei der Wahl ihres Gefährten das Familienhaus berücksichtigen. Doch war es denn etwa Farodins Verdienst, dass seine Urgroßmutter noch eine leibhaftige Albe gewesen war? Und war es etwa Nuramons Schuld, dass er aus einer Familie stammte, die durch viele Generationen von den Alben getrennt war? Noroelle wollte ihre Entscheidung nicht von ihren Vorfahren abhängig machen, sondern von ihnen selbst.
    Farodin wusste, wie er um eine hohe Frau werben musste. Er kannte alle Regeln und Bräuche und handelte stets so angemessen und ehrenvoll, dass man ihn allseits bewundern musste. Noroelle war sehr davon angetan, dass er ihr Innerstes zu kennen schien, es zu berühren vermochte und stets so passende Worte fand, als könnte er in jedem Augenblick ihre Gedanken und ihre Gefühle wahrnehmen. Doch hier lag zugleich auch sein Makel. Farodin kannte sämtliche Lieder und alle alten Geschichten. Er wusste stets, welches süße Wort er sprechen musste, weil er sie alle zuvor gehört hatte. Welche waren aber seine Worte und welche die der alten Dichter? War diese Weise von ihm selbst, oder hatte er sie zuvor gehört? Noroelle musste lächeln; der scheinbare Makel haftete nicht Farodin an, sondern ihr. War dieser liebliche Ort nicht in allem so, wie es die alten Sänger geschildert hatten? Die Sonne, die Linde, der Schatten, die Quelle, der Zauber? Und boten die alten Sänger demnach nicht auch die passenden Lieder zu diesem lieblichen Ort? Konnte sie demzufolge Farodin einen Vorwurf machen, dass er nichts anderes tat als das, was in dieser Lage angemessen war? Nein, das durfte sie nicht. Farodin war in jeder Hinsicht vollkommen, und jede Frau in den Gefilden der Elfen wäre glücklich über sein Werben.
    Dennoch fragte sie sich, wer Farodin eigentlich war. Er entzog sich ihr, wie die Quelle von Lyn sich den Blicken der Elfen durch strahlendes Licht entzog. Sie wünschte sich, er würde seinen Schein für eine Weile schmälern, sodass sie einen Blick auf die Quelle werfen konnte. Oft hatte sie versucht, ihn dazu zu bewegen, doch er hatte ihre Gesten nicht verstanden. So war ihr der Blick in sein Innerstes bislang verwehrt gewesen. Und manchmal fürchtete sie, dort könnte etwas Dunkles lauern, etwas, das Farodin um jeden Preis zu verbergen trachtete. Hin und wieder unternahm ihr Liebster lange Reisen, doch nie sprach er davon, wohin er ging und aus welchem Grunde. Und wenn er zurückkehrte, erschien er Noroelle bei aller Wiedersehensfreude noch verschlossener als zuvor.
    Bei Nuramon hingegen wusste Noroelle
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