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Die Elefanten Hannibals

Die Elefanten Hannibals

Titel: Die Elefanten Hannibals
Autoren: Alexander Nemirowski
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Schlachtordnung durcheinanderbrachten. 
    Vor die erste Reihe seines Heeres stellte Hannibal die Elefanten. Die Treiber erhielten den strengen Befehl, schonungslos ihre Eisenstachel zu gebrauchen und zu verhindern, daß die Elefanten kehrtmachten und sich gegen die eigenen Reihen wandten.
    Dahinter postierte er die Söldner, nach Völkerschaften geordnet und von einigen seiner Veteranen befehligt. Die karthagischen Landsturmleute schlossen sich an. Ihnen hielt er kurz vor Beginn der Schlacht eine Rede, in der er ihnen mit eindringlichen Worten alle Gräßlichkeiten ausmalte, die ihre Angehörigen und ihr Vaterland erleben würden, wenn sie auch nur um einen Schritt zurückwichen.
    Den Beschluß bildeten Hannibals Veteranen. Die glitzernden Eisfelder der Alpen hatten ihre Augen fast blind gemacht, ihre Füße, die siebzehn Jahre lang durch Italien marschiert waren, zitterten, ihre Hände hatten die Kraft zum Zuschlagen verloren, die jahrelange Last der Waffen hatte ihnen den Rücken gekrümmt. Dennoch setzte Hannibal seine Hoffnung allein auf sie.
    Die Elefanten begannen die Schlacht. Es war ihr erster Kampf. Die gewaltigen Menschenmassen, das Schlachtgeschrei, das Geklirr der Waffen und Gewieher der Pferde erschreckten sie. Dennoch gingen sie gehorsam in die Richtung, wohin sie gelenkt wurden, den von einem Bronzeschild geschützten Kopf geduckt. Sie rannten vorwärts, aber nicht in die römischen Truppen hinein, sondern durch die Gänge zwischen ihren Einheiten und also an den Legionären vorüber. Sie hatten es noch nicht gelernt, die Menschen zu töten, sie mit dem Rüssel zu packen und zu zertrampeln. Die Legionäre jagten ihnen Pfeile und Wurfspeere in den Leib, deshalb flohen sie bis dorthin, wo sie sich vor den Menschen in Sicherheit glaubten. Doch die im Körper steckenden Waffen ließen ihnen keine Ruhe, die Gefechtstürme, die man ihnen auf den Rücken geschnallt hatte, und die Treiber, die auf ihrem Hals saßen, quälten sie. Einige warfen sich brüllend hin und wälzten sich auf dem Boden hin und her. Andere schüttelten ihre Treiber mit einer Geschicklichkeit ab, die man den scheinbar schwerfälligen Tieren niemals zugetraut hätte. Es war eine Meuterei der Elefanten, eine Meuterei Afrikas, das von Karthago geknechtet worden war.
    Die sonst immer gehorsamen Elefanten hatten sich erhoben. Hannibals Traum auf dem Schiff war Wirklichkeit geworden. Und er empfand die gleiche hilflose Angst wie im Traum. Die Stimme seines Vaters klang ihm in den Ohren: „Die Elefanten müssen Rom zertreten, hört ihr, junge Löwen!" Und gleichsam als Antwort folgte der Satz, den der junge Masinissa einst empört gerufen hatte: „Die Elefanten sind besser als ihr, sie leben in Freiheit und tun niemandem etwas zuleide, ihr aber wollt sie in Mörder verwandeln!"
    Und Hannibal erkannte: In jenem großen, grausamen Spiel, das man Krieg nennt, hatte er seinen letzten Einsatz, die Elefanten, verloren. 

    Die numidische Reiterei griff in den Kampf ein, angeführt von einem Manne auf einem herrlichen Schimmel. Sie stieß mit der karthagischen Kavallerie zusammen. An ihrer Spitze stand Magarbal, der Kampfgefährte von Hannibals Vater, der Mann, der Hannibal einst das Reiten beigebracht hatte. „Hannibal, du verstehst es zu siegen, aber du verstehst es nicht, deinen Sieg zu nutzen!" hatte er nach der Schlacht bei Cannae gesagt.
    „Ja, Magarbal, du hattest recht!" murmelte Hannibal vor sich hin. „Ich verstand es nicht, meine Siege in Italien zu nutzen, und stürzte dadurch mein Vaterland ins Verderben."
    Er wurde aufmerksam. Was machte Magarbal? Er wich zurück, ergriff scheinbar die Flucht. Das war eine Finte, mit der er die gefährliche numidische Reiterei auf sich zog und den römischen Feldherrn seiner wichtigsten Hilfstruppe beraubte. Doch gleichzeitig bedeutete das den sicheren Tod, denn Magarbal und seine Reiter würden der dreifachen Übermacht unausweichlich erliegen.
    Magarbal opfert sich für mich! erkannte Hannibal. Ihm wurde die Kehle eng. Er wußte, daß er seinen alten Reitlehrer nicht wiedersehen würde.
    Jetzt müßte er die Abwesenheit der numidischen Reiter nutzen, um die römische Infanterie zu erschlagen. Doch seinen schlecht ausgebildeten Landsturmleuten standen disziplinierte, kampfgewohnte Legionäre gegenüber. Ihr Angriff war so heftig, daß sich die Karthager zur Flucht wandten. Das hielten die auf karthagischer Seite kämpfenden Söldner für Verrat und kehrten die Waffen gegen den karthagischen
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