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Die Eistoten: Thriller (German Edition)

Die Eistoten: Thriller (German Edition)

Titel: Die Eistoten: Thriller (German Edition)
Autoren: Christian Buder
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Bichl« war selten voll, aber praktisch nie leer. Es gab immer jemanden, der an der Theke stand oder seine Zwiebelsuppe am Fenster schlürfte.
    Alice wusste, was am Stammtisch geplaudert wurde. Als sie Tom sahen, war plötzlich das Hotel Gesprächsthema. Die Männer redeten davon, dass ihre Fremdenzimmer leer waren und dass das Wasser schmutziger sei, seit das Hotel in den Hang gebaut worden war. Am Stammtisch des »Schwarzen Bichl« wurde über alles gesprochen, was irgendwie in Hintereck einmal erwähnt wurde. So als wäre der Stammtisch ein Echo, das die Stimmen erst nach Tagen wieder freigab. Nur über eines redeten sie nicht: über den Tod von Alices Mutter.
    »Auf wen setzt du?«, fragte Alice.
    Tom hob die Schultern. »Schwierig heute. Die scheinen noch ganz ruhig zu sein.«
    »Ich tippe auf den Oberschrat.«
    »Warum den Oberschrat?«
    »Das erfährst du nachher … sonst wäre es ja keine Wette.«
    »Gut, dann setze ich auf den Georg Zugl.«
    »Der ist tot. Eine unmögliche Wette kann ich nicht annehmen. Zugl kann nicht mehr mit dem Streit beginnen.«
    »Das sagst du, aber die Toten können wohl einen Streit verursachen.«
    »Nein, es zählen nur die Lebenden.«
    »Gut, dann tippe ich auf den Haas.«
    Eine Weile vergaßen sie den Stammtisch.
    »Weißt du, wer die Kirchentür vollgeschmiert hat?« Alice trank ihre Cola aus.
    Tom schüttelte den Kopf. »Nein. Der Pfarrer hat den ganzen Abend gewischt und hat doch noch nicht alle Zeichen entfernt. Überall eine riesige 11.«
    »Habe ich gesehen, als wir auf den Weihnachtsmarkt gefahren sind.«
    »Sicher ein Streich von diesen Drecksäcken, Atze und Matze.«
    »Warum sollten die Oberschrat-Brüder die Kirche vollschmieren? Wenn ihr Vater das erfährt, dann schlägt er sie windelweich. Nein, das ist etwas anderes. Hier ist etwas im Gange.«
    »Du siehst wieder irgendwelche Symbole, und am Ende waren es doch nur die Oberschrat-Brüder.«
    »Nein, das ist kein Streich.«
    »Der Pfarrer hat jedenfalls Glück gehabt. Die Zeichen wurden nicht mit wasserfester Farbe hingeschrieben, sondern mit Blut.«
    »Woher weißt du das?«
    »Ich habe gehört, wie der Pfarrer es einer Frau erzählt hat, die aus der Kirche gekommen ist. ›Es schmiert wie Schweineblut.‹«
    Von der Tür kam eisige Luft. Sogar am Stammtisch unterbrach man kurz das Gerede und nutzte die Gelegenheit, die Gläser zu leeren. Oberschrat trank das Glas des toten Zugl aus. Tanneis blickte zur Tür. Alice hörte nur Toms Seufzer. Herrje.
    In der Tür stand ihr Klassenlehrer. Dr. Adibert Lehmko oder einfach K. O., wie die Schüler ihn nannten, und schüttelte sich den Schnee von den Schultern. Er ließ den Blick kurz durch die Schankstube wandern und setzte sich ans Fenster. Tanneis gingwortlos zu ihm, nahm wortlos die Bestellung auf und brachte ebenso wortlos einen Grog.
    Doch es war Zeit für die Wette, einen Zeitvertreib, den Alice im letzten Sommer begonnen hatte, als am Stammtisch erst heftig debattiert, dann geschrien worden war, bevor sich zwei betrunkene alte Männer an den Haaren zogen. Die Besonderheit dieses Stammtisches war, dass jedes Mal Streit ausbrach. Die Themen änderten sich, nur der Streit blieb.
    Tom verschränkte die Arme und flüsterte zu Alice: »Heute passiert gar nichts. Ihnen sind die Themen ausgegangen.«
    »Ein Grund für einen Streit findet sich immer«, sagte Alice und wunderte sich ebenfalls über die anhaltende konzentrierte Ruhe am Stammtisch. Sie hatte gerade darüber nachgedacht, wie die Wette zu werten sei, wenn überhaupt nicht gestritten wurde, als es am Tisch lauter wurde. Entscheidend war, wer den Streit begann und wer zuerst handgreiflich wurde. Bisher war Haas führend. Als jeder von ihnen zu seinem Weizenglas griff, machte sich eine unangenehme Stille breit. Alice zählte die Sekunden. Sechs Sekunden herrschte Stille im »Schwarzen Bichl«.
    »Jemand hat mir den Hund vergiftet«, murmelte Oberschrat.
    »Der ist dir halt verreckt«, erwiderte Haas und grinste spöttisch über den Tisch.
    »Der ist nicht verreckt, sondern vergiftet worden. Von irgendeinem Drecksack, der keine Viecher mag.«
    »Du hast deinen Hund nicht anders behandelt wie deine Frau. Kein Wunder, dass …«
    »Halt dein blödes Maul, sonst …«
    »Sonst was?«
    Haas streckte seinen Kopf angriffslustig über sein Bierglas. »Bis dass der Tod euch scheidet … Das musst du dir mal hinter die Ohren schreiben.«
    »Halt dein blödes Maul!«
    Oberschrat winkte nur ab. Rüttli versuchte vergebens, Haas
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