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Die Eisprinzessin schläft

Die Eisprinzessin schläft

Titel: Die Eisprinzessin schläft
Autoren: Camilla Läckberg
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mit seinen kalten blauen Augen. Patrik schauderte. Nein, das würden sie nie erfahren.
    »Aber wie gesagt, niemand hätte sich darum geschert, uns deshalb dranzukriegen. Allerdings will ich gern zugeben, daß es das Verhältnis zwischen mir und meiner Mutter wohl ein bißchen kompliziert hätte.« Dann wechselte Jan abrupt das Thema. »Nach dem, was ich gehört habe, gingen Anders und Alex offenbar zusammen ins Bett. Wahrhaftig die Schöne und das Biest. Ich hätte vielleicht selbst die Gelegenheit nutzen sollen, sozusagen aus alter Freundschaft …«
    Patrik empfand keinerlei Mitgefühl für den Mann neben sich. Zwar hatte er als Kind die Hölle durchlaufen, aber da war noch mehr an ihm als das. Etwas Böses, Verkommenes, das aus allen Poren sickerte. Ganz spontan fragte er: »Deine Eltern sind ja unter tragischen Umständen gestorben. Weißt du etwas mehr darüber als das, was bei den Ermittlungen herausgekommen ist?«
    Ein Lächeln umspielte Jans Mundwinkel. Er drehte die Scheibe noch einen Zentimeter herunter und warf die Kippe zielsicher durch den Spalt.
    »Ein Unglück passiert so leicht, stimmt’s? Eine Lampe kippt um, eine flatternde Gardine. Kleine Umstände, die zusammen einen einzigen großen Zufall ergeben. Dann kann man es ja die Hand Gottes nennen, wenn das Unglück Menschen ereilt, die es verdient haben.«
    »Weshalb warst du bereit, mich zu treffen? Weshalb sprichst du überhaupt?«
    »Es hat mich tatsächlich selber erstaunt. Ich wollte eigentlich nicht kommen, aber die Neugier siegte, nehme ich an. Ich fragte mich, wieviel du weißt und wieviel du errätst. Und schließlich haben wir ja alle das Bedürfnis, jemandem von unseren Taten zu erzählen. Besonders wenn dieser Jemand mit dem, was er zu hören bekommt, nichts anfangen kann. Nils’ Tod liegt so lange zurück, mein Wort steht gegen deins, und ich befürchte, niemand würde dir glauben.«
    Jan stieg aus dem Auto, drehte sich dann noch einmal um und beugte sich in den Wagen. »Ich nehme an, daß Verbrechen sich für manche doch lohnen. Eines Tages werde ich ein beträchtliches Vermögen erben. Ich bezweifle, daß ich mich in dieser Situation befunden hätte, wenn Nils noch lebte.«
    Er verabschiedete sich, indem er scherzhaft zwei Finger zum Gruß an die Stirn legte, schloß die Autotür und ging zu seinem Wagen. Patrik spürte, wie sich auf seinem Gesicht ein schadenfrohes Grinsen breitmachte. Jan wußte offenbar weder von Julias Beziehung zu Nelly noch von der Rolle, die Julia am Tag der Testamentseröffnung spielen würde. Gottes Wege waren zweifellos unergründlich.
     
    Die warme Brise streichelte ihm die runzligen Wangen, als er jetzt dort auf seinem kleinen Balkon saß. Die Sonne wärmte und heilte die schmerzenden Glieder, und mit jedem Tag, der verstrich, bewegte er sich ungehinderter. Jeden Morgen ging er zu seiner Arbeit auf dem Fischmarkt, wo er half, den Fang zu verkaufen, der früh am Tag von den Fischerbooten an Land gebracht wurde.
    Hier versuchte keiner, älteren Menschen das Recht zu verwehren, sich nützlich zu machen. Statt dessen fühlte er sich weitaus mehr respektiert und geschätzt als je zuvor in seinem Leben. Langsam, aber sicher hatte er in dem kleinen Dorf auch Freunde gefunden. Zwar ging das mit der Sprache nur so lala, aber er stellte fest, daß man sich mit Gesten und guten Absichten durchaus verständlich machen konnte, und sein Wortschatz nahm auch langsam, aber sicher zu. Ein kleiner Schnaps oder auch zwei nach einem guten Tagewerk taten ein übriges, um die Befangenheit loszuwerden, und er bemerkte zu seiner Verwunderung, daß er sich allmählich zu einer Art Quasselstrippe entwickelte.
    Als er jetzt auf seinem Balkon saß und auf das wuchernde Grün hinaussah, hinter dem ein Wasser folgte, das so blau war, wie er es nie zuvor gesehen hatte, fühlte Eilert, daß er dem Paradies nicht näher kommen konnte.
    Eine weitere Würze des Daseins war der tägliche Flirt mit Rosa, der üppigen Besitzerin der Pension, und er gestattete sich zuweilen den Gedanken, daß diese Sache mit der Zeit vielleicht zu etwas mehr als nur einem scherzhaften Flirt werden könnte. Die Anziehung war da, daran bestand kein Zweifel, und der Mensch war schließlich nicht zum Alleinsein geschaffen.
    Einen kurzen Moment dachte er an Svea dort zu Hause. Dann verjagte er den unangenehmen Gedanken, schloß die Augen und genoß die wohlverdiente Siesta.
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