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Die Eismumie

Die Eismumie

Titel: Die Eismumie
Autoren: Jay Bonansinga
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aus dem 19. Jahrhundert zu tun. Doch als schließlich der Archäologe Michael Okuda die Leiche untersuchte, machte sich in der akademischen Welt Unruhe breit. Okuda konnte bereits nach flüchtiger Untersuchung sagen, dass die Leiche sehr viel älter war als bisher angenommen. Die Kleidung, die Werkzeuge, die bei der Leiche gefunden wurden, ja selbst die Tätowierungen auf der Haut der Mumie sprachen eine eindeutige Sprache. Okuda schätzte, dass die Eismumie aus dem Mittelalter oder eventuell aus einer noch früheren Zeit stammen mochte. Man überstellte «den Eismann», wie ihn die Medien mittlerweile getauft hatten, der Universität, um eine Altersbestimmung mittels der Radiokarbonmethode durchzuführen. Und das Resultat war verblüffend.
    Die Mumie ist fast sechstausend Jahre alt. Ein erwachsener jungsteinzeitlicher Mann! Aus der frühen bis mittleren Kupferzeit! Es handelt sich um die älteste und besterhaltene Mumie eines Menschen, die je entdeckt worden ist. Das bringt mich zu dem Grund, warum ich Sie mit der Angelegenheit behellige, Mr. Geisel.
    Zuerst vermutete man, der Eismann sei eines natürlichen Todes gestorben – möglicherweise war er abgestürzt oder aus Erschöpfung in der Höhe erfroren. Doch kürzlich unterzog man die Mumie einer Kernspintomographie. Dabei entdeckten die Forscher Wunden, die sich der Mann nicht selbst zugefügt haben konnte und die auch nicht von einem wilden Tier oder einer sonstigen ‹natürlichen› Ursache stammen konnten. Der Eismann ist das sechstausend Jahre alte Opfer eines Mordes!
    Wären Sie daran interessiert, den Leichenfund von einem Ihrer FBI-Profiler begutachten zu lassen? Vielleicht könnte er ein psychologisches Profil des Kupferzeitmörders anfertigen? Daraus könnte sich ein faszinierender Artikel ergeben, der unseren Lesern sicherlich gefallen würde. Natürlich übernimmt das Discover Magazine gerne sämtliche Spesen für Ihren Mitarbeiter. Wir könnten Sie oder einen Ihrer Leute nach Alaska fliegen lassen und ein großes Interview für unser Magazin mit ihm führen.
    Mir ist bewusst, dass es sich um eine höchst ungewöhnliche Bitte handelt, und ich würde es verstehen, wenn Sie zu beschäftigt sind, um Ihre kostbare Zeit mit einem verjährtem Mordfall zu vergeuden. Sollte dennoch Ihrerseits Interesse bestehen, und das hoffe ich natürlich, zögern Sie bitte nicht, mich anzurufen oder mir eine E-Mail zu schicken.
     
    Beste Grüße Maura County Redaktion Discover Magazine Class Mark Publishing 415-567-1259 (Büro) 415-332-1856 (Handy)
     
     
    Zunächst wusste Grove nicht recht, was er sagen sollte.
    Er musste die E-Mail noch ein weiteres Mal lesen. Sollte das ein Scherz sein?
    «Ist es Ihnen wirklich ernst damit?», fragte er seinen Chef und hielt die E-Mail zwischen Daumen und Zeigefinger in die Höhe, als sei das Papier mit Krankheitserregern behaftet. «Sie wollen, dass ich dort hinfliege… und Indiana Jones spiele?»
    «Sehen Sie es als Arbeitsurlaub an», schlug Geisel mit schiefem Lächeln vor.
    «Und Zorn übernimmt den Sun-City-Fall.»
    Geisel seufzte. «Das ist doch unter Ihrer Würde, Junge.»
    «Was?»
    «Paranoia, berufliche Eifersucht, wie immer Sie es nennen wollen.»
    Jetzt wurde Grove ernsthaft böse. «Das hat nichts damit zu tun, Tom. Es geht nicht um Eifersucht. Es geht um einen Fall, es geht um Sun City.»
    «Alaska ist um diese Jahreszeit herrlich», versuchte Geisel es weiter. «Waren Sie schon mal dort?»
    «Mumien, Tom? Was soll ich mit einer verfluchten Mumie?»
    Achselzuckend entgegnete Geisel: «Ich dachte, es wäre eine gute Möglichkeit, Sie ohne allzu großen Gesichtsverlust aus der Affäre zu ziehen.»
    «Indem ich eine Mumie untersuche?»
    «Ich betraue Sie mit einer anderen Aufgabe.»
    Grove sprang vom Bett auf und knallte das Blatt Papier auf den Nachttisch. Erregt durchmaß er das Zimmer. Dann blieb er abrupt stehen und blickte seinem Boss in die Augen.
    «Kommt mir so vor, als würde ich ins Exil nach Sibirien abgeschoben.»
    Geisel schmunzelte. «Das Essen ist besser in Alaska.»
    «Wenn ich das tue, wenn ich wirklich dort hinfliege und diesen Blödsinn mitmache… dann müssen Sie mir einen Gefallen erweisen», forderte Grove und strich sich über das Gesicht.
    «Was immer Sie wollen.»
    Grove hielt einen Augenblick inne. Geisel war mehr als nur sein Boss, er war sein Mentor und Freund. Ulysses Grove hatte nie einen richtigen Vater gehabt. Noch vor seiner Geburt war sein Vater spurlos verschwunden und hatte Groves
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