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Die einzige Wahrheit

Die einzige Wahrheit

Titel: Die einzige Wahrheit
Autoren: Jodi Picoult
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Ton: »Ich weiß, daß das schwer für Sie ist, aber ich muß Ihnen ein paar Fragen zu Ihrem Baby stellen.« Sarah Fisher hob den Blick und sah Lizzie in die Augen. »Das ist nicht mein Baby«, sagte sie. »Ich hab keine Ahnung, wo es herkommt.«
    Eine halbe Stunde später bückte sich Lizzie zum Fotografen der Spurensicherung hinunter. »Beschränken Sie sich auf den Stall. Die Amischen lassen sich nicht gerne fotografieren.«
    Zumindest verstand Lizzie jetzt, warum sie hergerufen worden war. Ein unidentifizierter toter Säugling, eine unbekannte Mutter. Und das alles mitten auf einer Amisch-Farm.
    Sie hatte die Nachbarn befragt, ein lutheranisches Paar, das versicherte, kaum je laute Stimmen von den Fishers gehört zu haben, und sich nicht erklären konnte, wo das Baby herkam. Sie hatten zwei Töchter im Teenageralter, von denen eine einen Nasen- und einen Nabelring trug. Beide hatten Alibis. Trotzdem waren sie bereit, sich gynäkologisch untersuchen zu lassen, um als Verdächtige auszuscheiden.
    Sarah Fisher hingegen lehnte das ab. Lizzie dachte darüber nach, während sie in der Milchkammer stand und zusah, wie Aaron Fisher einen kleinen Kanister Milch in einen größeren leerte. Er war ein großer und dunkler Typ mit muskulösen Armen. Sein Bart reichte ihm bis auf die Brust. Als er fertig war, stellte er den Kanister ab und wandte sich Lizzie zu.
    »Meine Frau war nicht schwanger, Detective«, sagte Aaron.
    »Sind Sie sicher?«
    »Sarah kann keine Kinder mehr bekommen. Die Ärzte haben das so eingerichtet, nachdem sie bei der letzten Geburt fast gestorben wäre.«
    »Ihre anderen Kinder, Mr. Fisher – wo waren die, als das Baby gefunden wurde?«
    Ein Schatten huschte über das Gesicht des Mannes. »Meine Tochter hat oben geschlafen. Mein anderes Kind ist … fort.«
    »Fort, heißt das, ausgezogen?«
    »Tot.«
    »Ihre Tochter, die oben geschlafen hat, ist wie alt?«
    »Achtzehn.«
    Lizzie blickte auf. Weder Sarah Fisher noch die Sanitäter hatten erwähnt, daß noch eine Frau im gebärfähigen Alter auf der Farm wohnte. »Wäre es möglich, daß sie schwanger war, Mr. Fisher?«
    Das Gesicht des Mannes wurde so rot, daß Lizzie sich schon Sorgen machte. »Sie ist nicht mal verheiratet.«
    »Das ist keine unabdingbare Voraussetzung, Sir.«
    Aaron Fisher starrte sie an, kalt und klar. »Für uns schon.«
    Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis alle vierzig Kühe gemolken waren. Samuel schloß das Gatter, nachdem er die Jungkühe auf die Weide gelassen hatte, und ging dann zum Haupthaus. Eigentlich sollte er Levi helfen, den Stall ein weiteres Mal auszumisten, aber heute konnte das warten.
    Er klopfte nicht an, sondern öffnete einfach die Tür, als gehörte ihm nicht nur das Haus schon, sondern auch die junge Frau, die am Herd stand. Er verharrte einen Moment, genoß den Anblick, wie das Sonnenlicht ihr Profil noch anmutiger machte, das honigfarbene Haar golden tönte, betrachtete die geschickten Bewegungen, mit denen sie das Frühstück bereitete.
    »Katie«, sagte Samuel und trat ein.
    Vor Schreck ließ sie den Löffel in die Teigschüssel fallen und drehte sich rasch um. »Ach, du bist es, Samuel.« Sie sah an seiner Schulter vorbei, als erwartete sie, hinter ihm eine Armee zu sehen. »Mam hat gesagt, ich soll genug für alle machen.«
    Samuel ging zu ihr, nahm die Schüssel und stellte sie auf die Arbeitsplatte. Er griff nach ihren Händen. »Du siehst gar nicht gut aus.«
    Sie verzog das Gesicht. »Danke für das Kompliment.«
    Er zog sie näher an sich. »Alles in Ordnung?«
    Wenn sie ihn ansah, waren ihre Augen so strahlendblau wie ein Ozean, den er einmal auf dem Umschlag eines Reisemagazins gesehen hatte, und – so stellte er sich vor – ebenso unendlich tief. Sie hatten ihn als erstes zu Katie hingezogen, unter all den Menschen während eines Gottesdienstes. Sie hatten in ihm die Überzeugung geweckt, daß er auch noch in vielen, vielen Jahren alles tun würde für diese eine Frau.
    Sie entzog sich ihm und begann, Pfannkuchen zu wenden. »Du kennst mich doch«, sagte sie atemlos. »Ich werde nervös, wenn ich mit Englischen zu tun habe.«
    »So viele sind’s nicht. Bloß eine Handvoll Polizisten.« Samuel betrachtete sorgenvoll ihren Rücken. »Aber es kann sein, daß sie mit dir reden wollen. Sie wollen mit allen reden.«
    Sie drehte sich langsam um. »Was haben sie denn da draußen gefunden?«
    »Hat deine Mutter dir nichts gesagt?«
    Katie schüttelte langsam den Kopf, und Samuel zögerte, hin
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