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Die einzige Blume im Sumpf - Geschichten aus Ägypten

Die einzige Blume im Sumpf - Geschichten aus Ägypten

Titel: Die einzige Blume im Sumpf - Geschichten aus Ägypten
Autoren: Lenos Verlag
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Himmel zu holen, den er auf seine Achsel will.« Und weiter: »Stellt sich dieser Schwachkopf eigentlich vor, ich könne einfach zu den Bettlern an der Hussainmoschee hingehen? Bei Gott, das kann ich einfach nicht, solange die ordnungsgemäss und angemessen zahlen. Ich bin doch kein Ekel, liebe Schwester. Das kann ich einfach nicht.«
    Er hörte auf zu reden. Danach zog er ein letztes Mal an der Zigarette, die fertiggeraucht und ausgegangen war, und betrachtete sie. Vielleicht entdeckte er ja doch noch eine Reaktion in ihren Zügen. Doch ihre schwarzen Augen, die immer in dieselbe Richtung schielten, errichteten zwischen ihm und den Vorgängen in ihrem Innern eine dicke Wand. Da wurde er wütend und begann, sich in der Nase zu bohren.
    Schliesslich flüsterte die Mutter des Jungen mit der Gelassenheit einer Händlerin: »Hör mal, vielleicht klappt es ja doch noch mit dem, was du da willst.«
    Das Heulen des Kleinen unterbrach sie; er war erbost über den Geschmack der feuchten Erde, mit der er sich den Mund vollgestopft hatte und die ihm nicht zusagte, weswegen er sie, vermischt mit Spucke, wieder herausprustete. Siekrümmte sich vor Lachen und reichte ihm mit den Worten »Da, du Sohn von wem auch!« ein paar Lupinenkerne.
    Da schob der alte Geheimpolizist seine Hand in die Tasche und holte einen Bonbon heraus und warf ihn dem Jungen zu, um ihn zu beruhigen.
    »Hoffentlich ist’s gut gemeint«, bemerkte sie, während ihr vor Lachen die Tränen aus den Augen liefen.
    »Ist es, liebe Schwester«, sagte der Geheimpolizist, der ein künstliches Lächeln aufgesetzt hatte, und fügte hinzu: »Wenn du diesmal mitkommst, bringe ich dir das Abendessen selber. Dir wird es hervorragend gehen! Und dann, nur eine Nacht diesmal. Danach kommst du raus, wegen Mangel an Beweisen, und wie das letzte Mal geht alles auf mein Konto. Aber das Abendessen, das bring ich.« Und er warf ihr ein halbes Pfund in den Schoss.
    Sie hatte schon alles durchgerechnet. Diesmal würde er nichts zu lachen haben mit ihr, wirklich nicht. Sie würde nicht weniger als ein rotes Kopftuch mit Pailletten annehmen und ein Brot mit Fleisch von einem Stand an der Ecke; das kostet eins fünfundzwanzig. Dazu noch fünfzig Groschen auf die Hand für die Wechselfälle des Lebens. Nein, für weniger als fünfzig Groschen auf die Hand würde sie’s nicht tun, was immer er probieren würde. Und wenn er sie gewaltsam mitnähme! Das sagte sie zu sich selbst.
    Zu ihm sagte sie: »Beim Propheten, Herr Korporal, das erste Mal hast du mir übel mitgespielt. Weiss Gott, du hast mir übel mitgespielt. Das mach ich nicht mehr mit. Die Teuerung trifft alle. Für weniger als eins fünfundsiebzig ist nichts zu machen. Das ist nur recht und billig. Du bist doch wohl ein aufrichtiger und gottesfürchtiger Mensch? Wie ichdas letzte Mal aus der Zelle gekommen bin, waren mir fast die Knochen gebrochen vom Schlafen auf dem Steinboden. Diesmal kann ich’s nicht um weniger als eins fünfundsiebzig machen – bei der Liebe zu meinem Sohn.«
    Der alte Geheimpolizist hustete und knurrte. Er legte ein Bein übers andere und betrachtete die Lupinenkerne, die Frau, den Jungen und den Hund. Am liebsten hätte er ein Riesenfeuer gemacht und sie alle hineingeworfen; dann hätte er noch den Offizier herangeschleppt und ihn obendrauf gelegt. Er runzelte die Stirn, schaute die Frau durchdringend an und sagte: »Du bist gerissen geworden, Umm Muhammad. Bei Gott, bist du gerissen geworden. Dein Herz ist voller Gier. Ich hab dir doch gesagt, ich bring dir was zum Abendessen. Ich schwör’s, ich bring dir wirklich was zum Abendessen.«
    Sie klopfte auf die Erde und wischte sich mit dem Saum ihres Kopftuchs die Nase, schwieg ein wenig und fügte dann ruhig hinzu: »So geht es, weiss Gott, nicht, Herr Korporal.«
    Der Junge lachte glücklich, während er auf dem Hund herumkletterte und ihn am Schwanz zog. Er rief seiner Mutter, damit sie ihn so sähe. Der Geheimpolizist stand auf, schob die Hand in die Tasche und holte das Pfund heraus. Er nahm die Hand der Frau, legte es hinein und schloss sie fest darüber. »Morgen abend also«, sagte er.
    Die Frau betrachtete den Geldschein in ihrer Hand und stellte mit Befriedigung fest, dass es ein ganzes Pfund war. Sie schmunzelte und flüsterte: »Vergiss ja nicht, das Brot mit dem Fleisch vom Stand an der Ecke mitzubringen!«

Eine kleine weisse Maus
    Die Ampel schaltete auf Rot. Die endlose Wahnsinnsautoflut stoppte, und ein Schwall von Menschen drängte
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