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Die ehrenwerten Diebe

Die ehrenwerten Diebe

Titel: Die ehrenwerten Diebe
Autoren: Will Berthold
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sieben schon weit voraus.
    Wir standen am nächsten Abschlag und mußten warten, um einen ziemlich langsamen Einzelspieler vor uns nicht zu gefährden.
    »Ein Gast aus Berlin«, sagte Evelyn. »Dr. Fingers. Spielt öfter hier. Besser in Chemie als in Golf.«
    Hinter uns drängten die Spieler nach, aber anstatt weiterzuziehen, kramte dieser Dr. Fingers aus seinem Caddie-Wagen eine Schnapsflasche hervor und nahm einen ordentlichen Schluck. Das war keine so schlechte Idee an einem kühlen Tag, auch wenn es sich nach der Golf-Etikette erst nach Spielschluß gehörte.
    Wir sahen es beide.
    Im nächsten Moment.
    Es sah aus, als ob der Spieler stolperte und sehr ungeschickt zu Boden fiel.
    Aber er stand nicht mehr auf.
    Wir hetzten los.
    Ich beugte mich als erster über den Chemiker aus Berlin. Sein Gesicht war blau verfärbt, er hatte glasige Augen, Schaum quoll ihm aus dem Mund, sein Bewußtsein schwebte im Niemandsland zwischen Leben und Tod.
    Tüchtig, wie sie war, schleppte Evelyn gleich zwei Ärzte an, die ihre Golfschläger vorübergehend aus der Hand legen mußten.
    »Herzattacke«, sagte der eine.
    »Oder ein epileptischer Anfall, Herr Kollege«, meinte der andere.
    Unter anderen Umständen hätte ich ihre diagnostischen Abweichungen genossen, aber ein Blick auf den Patienten ließ mich das Schlimmste befürchten. Es gab ein ziemliches Durcheinander, aber in Rekordzeit schoß ein Rettungswagen heran und schaffte Dr. Fingers ins nächste Krankenhaus.
    Etwas stimmte nicht.
    Ich glaubte an keine der beiden Diagnosen.
    Ich erinnerte mich an die vergessene Schnapsflasche, hob sie auf. Es war eine erstklassige Himbeergeist-Marke, doch sie roch nicht nach Schwarzwald, sondern nach etwas Bitterem.
    Ich schob die Flasche ein.
    »Bestiehlst du den Professor?« fragte Evelyn lachend.
    »Welchen Professor?«
    »Der Wagen gehört Professor Timmermann … Er verleiht ihn gelegentlich an seinen Vorstandskollegen aus Berlin.«
    »Professor Timmermann – ist der Chef der PHARMA-Werke?« fragte ich reichlich überflüssig.
    »Aber ja«, entgegnete Evelyn. »Ich hab' schon viele Texte für ihn verbrochen.«
    »Kennst du ein erstklassiges Labor?« fragte ich meine Golffreundin.
    »Willst du dich vor der Niederlage drücken?« entgegnete sie – aber dann begriff sie, welchen Verdacht ich hatte.
    Wir fuhren nach Düsseldorf zurück, hielten vor dem Krankenhaus, in das der Patient eingeliefert worden war. Die Ärzte brauchten keinen Ratschlag. Sie hatten ihrem Patienten sofort den Magen ausgepumpt – was ihm vermutlich das Leben rettete.
    Kurz darauf erfuhr ich, daß der Himbeergeist mit einem ziemlich üblen Pflanzenschutzmittel vergiftet worden war.
    Ein glatter Mordversuch – wenn auch mit Zeitverzögerung.
    Hatte das Attentat Dr. Fingers gegolten?
    Ich setzte auf Professor Timmermann.
    Ich bat das Krankenhaus, die Kriminalpolizei zu verständigen – ich selbst wollte wieder einmal meine eigenen Wege gehen.
    Meine Golffreundin verfügte wirklich über hervorragende Verbindungen. Obwohl der Chef des PHARMA-Konzerns heute nicht im Büro war, erklärte er sich bereit, uns in seiner Privatvilla im Prominentenviertel der Rhein-Metropole zu empfangen.
    Das Haus entsprach dem Standard eines Industrieführers. Nach außen wirkte es eher untertrieben, innen glich es einem Palast. Eine bunte Gesellschaft amüsierte sich rings um den geheizten Swimmingpool.
    Ein Butler führte uns zum Hausherrn.
    Evelyn stellte mich vor. Der Professor reichte mir die Hand. »Ach ja, Herr Fabian«, sagte er, »wir hätten uns ja ohnedies morgen bei Ihrem Vortrag im Industrie-Club kennen gelernt.« Er war übergroß und überschlank. Er hatte einen Nussknackerkopf, der spitz zum Kinn zulief. Die Augen waren in das alte, harte Gesicht wie hineingedrückt.
    »Was kann ich für Sie tun?« fragte er mit erzwungener Höflichkeit. Er war unbequem und schroff, und ich spürte, daß ich es mit ihm nicht leicht haben würde.
    »Haben Sie Sorgen, Herr Professor?«
    »Natürlich«, erwiderte er gelangweilt.
    »Private oder geschäftliche?«
    Er hob den Kopf. Sein Kinn deutete auf mich wie eine Speerspitze.
    »Ich weiß, daß Sie ein bekannter Mann sind«, fuhr er mich an, »aber ich wüsste nicht, daß ich Sie gerufen hätte.«
    »Meine Schuld«, vermittelte Evelyn.
    »Ich belästige Sie nicht grundlos«, fuhr ich fort. »Sie haben heute Herrn Dr. Fingers Ihren Caddie-Wagen ausgeliehen?«
    »Was heißt das?« fragte er, nun doch ein wenig erschrocken.
    Ich
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