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Die Eheprobe

Die Eheprobe

Titel: Die Eheprobe
Autoren: Melanie Gideon
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eine Weile nicht mehr miteinander geredet. Jetzt geht’s wieder, aber wann immer ich sie zu Hause besuche, ist Jude praktischerweise nicht da.
    Zoes rechte Hand bewegt sich in Höchstgeschwindigkeit über die Tastatur ihres Handys.
    Â» Das da willst du anziehen?«, fragt sie.
    Â»Wieso denn nicht? Das ist Vintage.«
    Zoe prustet los.
    Â»Zoe, Schatz, würdest du bitte mal deinen Blick nach oben wenden? Ich brauche deine ehrliche Meinung.« Ich breite meine Arme weit aus. »Ist es wirklich so schlimm?«
    Zoe legt den Kopf schief. »Kommt drauf an. Wie dunkel wird’s dort sein?«
    Ich seufze. Vor gerade mal einem Jahr standen Zoe und ich uns noch so nah. Jetzt behandelt sie mich wie ihren Bruder – wie ein Familienmitglied, das toleriert werden muss. Ich tue so, als würde ich nichts merken, aber indem ich mich bemühe, für uns beide nett und freundlich zu sein, kompensiere ich es so übermäßig, dass ich am Ende immer wie eine Kreuzung aus Mary Poppins und Fräulein Truly Scrumptious aus Tschitti Tschitti Bäng Bäng klinge.
    Â»Pizza ist im Gefrierfach, und sieh zu, dass Peter um zehn im Bett ist. Wir sollten kurz darauf auch wieder zu Hause sein«, sage ich.
    Zoe schreibt weiter auf ihrem Handy. »Dad wartet schon im Auto auf dich.«
    Ich schwirre auf der Suche nach meiner Handtasche durch die Küche. »Macht’s euch gemütlich. Und seht euch auf keinen Fall Idol ohnemich an !«
    Â»Hab den Sieger schon gegoogelt. Soll ich dir sagen, wer rausfliegt?«
    Â»Nein!«, brülle ich und sprinte zur Tür hinaus.
    Â»Alice Buckle. Das ist ja eine Ewigkeit her. Und wie frisch Sie wirken! Warum schleppt Sie William nicht öfters mit zu unseren Events? Aber ich gehe mal davon aus, dass er Ihnen damit einen Gefallen tut, nicht wahr? Schon wieder so ein Wodka-Launch. Langweilig, stimmt’s?«
    Frank Potter, Chief Creative Officer von KKM Advertising, blickt diskret über meinen Kopf hinweg. »Sie sehen wunderbar aus«, sagt er, während sein Blick durch den Saal zirkelt. Er winkt jemandem am anderen Ende zu. »Ihr Hosenanzug ist sehr hübsch.«
    Ich nehme einen großen Schluck Wein. »Danke.«
    Als ich mich umblicke und die durchsichtigen Blusen, Riemchensandaletten und Skinny-Jeans sehe, die fast alle der anwesenden Frauen tragen, wird mir klar, dass »business dressy« eigentlich »business sexy« bedeutet. Zumindest hier. Alle sehen einfach toll aus. So präsent – so zeitgeistig. Ich schlinge einen Arm um meine Taille und halte das Weinglas in dem jämmerlichen Versuch, von meinem Sakko abzulenken, so, dass es in der Nähe meines Kinns schwebt.
    Â»Ich danke Ihnen, Frank«, wiederhole ich, während mir Schweißperlen den Nacken hinunterkullern.
    Schwitzen ist meine Standardreaktion, wenn ich mich fehl am Platz fühle. Meine zweite Standardreaktion darauf ist, mich zu wiederholen.
    Â»Danke«, sage ich noch einmal. Meine Güte, Alice, ein Danksagungs-Dreier?
    Er tätschelt meinen Arm. »Und wie läuft’s zu Hause? Erzählen Sie mal. Sind alle gesund? Die Kinder?«
    Â»Allen geht’s gut.«
    Â»Sind Sie da ganz sicher?«, fragt er mich mit einem in sorgenvolle Falten gelegten Gesicht.
    Â»Na ja, ja, eigentlich schon. Ja, allen geht es gut.«
    Â»Wunderbar«, antwortet er. »Freut mich, das zu hören. Und was treiben Sie zurzeit? Immer noch Lehrerin? Welches Fach war das noch?«
    Â»Schauspiel.«
    Â»Schauspiel, richtig. Das muss so eine … Bereicherung sein. Aber, wie ich mir vorstellen kann, sicher auch recht stressig.« Er senkt seine Stimme. »Sie müssen eine Heilige sein, Alice Buckle. Ganz sicher besäße ich nicht Ihre Geduld.«
    Â»Doch, bestimmt, sobald Sie spüren würden, was diese Kinder auf die Beine stellen. Sie geben sich solche Mühe. Wissen Sie, gerade erst vor ein paar Tagen wollte einer meiner Schüler …«
    Frank Potter blickt wieder über meinen Kopf hinweg, zieht die Augenbrauen hoch und nickt.
    Â»Alice, verzeihen Sie mir, aber ich glaube, ich werde dort drüben erwartet.«
    Â»Oh, natürlich, klar. Es tut mir leid. Ich wollte Sie nicht aufhalten. Ich bin sicher, Sie haben andere …«
    Er bewegt sich auf mich zu, und ich beuge mich leicht vor, in dem Glauben, er wolle mich auf die Wange küssen. Stattdessen zuckt er zurück, nimmt meine Hand und schüttelt sie. »Auf
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