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Die Eheprobe

Die Eheprobe

Titel: Die Eheprobe
Autoren: Melanie Gideon
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richtig gute Friseurin. Leider sind meine Haare hier das Problem.«
    Mrs Morse haucht mir ein lautloses »Entschuldigung« entgegen, während sie in ihrer Handtasche nach einem Haargummi kramt. Sie hält es Harriet hin. »Liebling, meinst du nicht, dass Mrs Buckle ein Pferdeschwanz gut stehen würde?«
    Harriet verlässt ihren Platz hinter der Bank und begutachtet mich feierlich von vorne. Sie hebt die Haare über meine Schläfen. »Sie sollten Ohrringe tragen«, verkündet sie. »Vor allem dann, wenn Sie Ihre Haare hochstecken.« Sie akzeptiert das Gummi von ihrer Mutter und zieht sich wieder auf ihren Posten hinter der Bank zurück.
    Â»Also, wie kann ich in diesem Halbjahr behilflich sein?«, fragt Mrs Morse. »Möchten Sie, dass ich die Party organisiere? Ich kann die Kinder auch beim Auswendiglernen unterstützen.«
    Die Kentwood-Grundschule ist voll von solchen Eltern wie Mrs Morse: Eltern, die ihre Hilfe anbieten, bevor sie gefragt werden, und die inbrünstig an die Wichtigkeit einer Theaterklasse glauben. Genau genommen ist es der Elternverein der Kentwood-Grundschule, der mein Teilzeit-Gehalt bezahlt. Die öffentlichen Schulen in Oakland stehen seit Jahren am Abgrund einer Pleite. Kunst und Musik waren die ersten Fächer, die gestrichen wurden. Ohne den Elternverein hätte ich keine Stelle mehr.
    Es gibt immer einen Jahrgang mit einer Häufung betreuungsintensiver Eltern, die sich beschweren und unzufrieden sind – in diesem Jahr sind es die Drittklässler –, aber meistens sehe ich die Eltern als Ko-Lehrer. Ohne sie könnte ich meine Arbeit nicht machen.
    Â»Das sieht hübsch aus«, sagt Mrs Morse, nachdem Harriet jetzt schon ein paar Minuten an meinen Haaren gezogen und gerupft hat. »Es gefällt mir, wie du Mrs Buckles Haare am Ansatz ein bisschen aufbauschst.«
    Harriet kaut auf ihrer Lippe herum. Das Aufbauschen war nicht geplant.
    Â»Ich fühle mich ganz wie in Frühstück bei Tiffany «, sage ich, als Carisa Norman über den Spielplatz gesaust kommt und sich auf meinen Schoß schmeißt.
    Â»Ich habe Sie überall gesucht«, sagt sie und streichelt meine Hand.
    Â»Was für ein Zufall«, antworte ich, während sie sich in meine Arme kuschelt. »Ich habe dich auch überall gesucht.«
    Â»Rufen Sie mich an«, sagt Mrs Morse. Sie tut so, als hielte sie ein Handy an ihr Ohr, und zieht mit Harriet von dannen.
    Ich nehme Carisa mit ins Lehrerzimmer und ziehe ihr einen Granola-Riegel aus dem Süßigkeitenautomaten. Dann gehen wir zur Bank zurück, setzen uns und reden über so wichtige Dinge wie Barbiepuppen und darüber, wie peinlich es ihr ist, dass sie noch Stützräder an ihrem Fahrrad hat.
    Als ihre Mutter um vier Uhr am Straßenrand hält und hupt, sehe ich Carisa nach, wie sie quer über den Spielplatz läuft, und mir wird schwer ums Herz. Sie wirkt so verletzlich. Sie ist jetzt acht und klein für ihr Alter; von hinten ginge sie auch als Sechsjährige durch. Mrs Norman winkt mir aus dem Auto zu. Ich winke zurück. Mindestens an ein paar Tagen der Woche ist das unser Ritual. Wir tun dann beide so, als sei nichts Ungewöhnliches daran, dass sie ihre Tochter so oft mit fünfundvierzig Minuten Verspätung abholt.

Kapitel 6
    Ich liebe die Stunden zwischen halb fünf und halb sieben. Die Tage werden länger, und momentan habe ich um diese Zeit das Haus für mich allein. Zoe ist beim Volleyball-Training, Peter probt entweder mit seiner Band oder spielt Fußball, und William fährt selten vor sieben mit seinem Auto die Einfahrt hoch. Sobald ich nach Hause komme, durchforste ich im Schnelldurchlauf das ganze Haus, um Ordnung in die Unordnung zu bringen: Klamotten zusammenlegen, E-Mails lesen – und dann kümmere ich mich ums Abendessen. Heute ist Donnerstag, also der Abend für ein einfaches Essen: Lasagne zum Beispiel oder Shepherd’s Pie. Ich bin keine begnadete Köchin, das ist Williams Domäne. Er bereitet die Abendessen für besondere Anlässe zu, die Menüs, die mit jeder Menge Ahs und Ohs bedacht werden. Ich bin eher so etwas wie ein Kantinenkoch; meine Gerichte sind unauffällig und nicht der Erinnerung wert. Zu mir hat noch nie jemand gesagt: »Oh, Alice, erinnerst du dich noch an den Abend, als du die überbackenen Ziti gemacht hast?« Allerdings bin ich sehr zuverlässig. Ich habe acht schnelle und einfache
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