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Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition)

Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition)

Titel: Die dunklen Wasser von Aberdeen: Roman (German Edition)
Autoren: Stuart MacBride
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überall, jeder kennt deinen Namen. Es ist aus.«
    Die Gestalt wirbelte wieder herum, Augen und Mund in Panik weit aufgerissen. »Nein! Sie werden mich ins Gefängnis stecken!«
    Logan dachte, dass das ja wohl ziemlich offensichtlich sei, und sagte es auch. »Du hast Kinder getötet, Martin. Du hast sie getötet, und du hast sie missbraucht. Du hast ihre Leichen verstümmelt. Was hast du denn geglaubt, wo sie dich hinschicken würden? Ins Ferienlager?«
    »Sie werden mir wehtun!« Strichen weinte jetzt, und seine Schluchzer ließen weiße Wölkchen in den Nachthimmel aufsteigen. »Genau wie er. Wie Cleaver!«
    »Komm schon, Martin, es ist vorbei …«
    Der kleine Jamie McCreath wand sich, strampelte mit den Beinen und schrie aus Leibeskräften. Strichen ließ die Tasche fallen, um ihn besser fassen zu können, doch Jamie McCreath entglitt seinen Händen und fiel vor ihm in den Schnee.
    Logan wollte sich auf ihn stürzen.
    Strichen zog ein Messer.
    Logan strauchelte und blieb stehen. Die Klinge funkelte in der dunklen Nacht, und in Logans Eingeweiden krampfte sich alles zusammen.
    »Ich geh nicht ins Gefängnis!« Martin schrie jetzt. Seine Augen zuckten zwischen Logan und dem heranrückenden Kordon von Polizisten hin und her.
    Von Strichen unbemerkt, rappelte der kleine Jamie McCreath sich auf und rannte los.
    »Nein!« Martin fuhr herum und sah den kleinen Jungen durch den Schnee davonflitzen, so schnell ihn seine Beinchen trugen. Nur dass Jamie nicht auf die Polizisten mit ihren Taschenlampen und bellenden Hunden zulief. Er steuerte geradewegs den Steinbruch an.
    Martin sprang mit gewaltigen Sätzen hinter ihm her. Das Messer blitzte in seiner Hand, als er rief: »Komm zurück! Das ist gefährlich!«
    Mit vor Schmerz zusammengebissenen Zähnen eilte Logan hinterher, doch der Abstand hatte sich bereits vergrößert.
    Strichens Fuß blieb in einer unter der Schneedecke verborgenen Vertiefung hängen, und er ging der Länge nach zu Boden. Im nächsten Moment war er wieder auf den Beinen, doch Jamie hatte schon einen großen Vorsprung und lief immer tiefer in die Granitschüssel des Steinbruchs hinein. Auf den schwarzen See zu. Plötzlich bremste der kleine Junge schlitternd ab. Es ging nicht mehr weiter. Vor ihm war nur noch kaltes, dunkles Wasser. Er wandte sich um, das Gesicht von panischer Angst gezeichnet.
    »Es ist zu gefährlich!« Martin rannte auf ihn zu.
    Aber Martin Strichen war um einiges schwerer als ein kleines Kind. Das Eis, das Jamie sicher trug, war Strichens Zweizentnerlast nicht gewachsen. Ein Knall wie ein Gewehrschuss hallte durch den Steinbruch. Der Hüne hielt inne, schlitterte noch ein Stück weiter und blieb reglos stehen, die Arme weit ausgebreitet. Wieder ein Krachen, noch lauter als das erste, und er stieß einen schrillen Schrei aus.
    Nur drei Meter weiter stand Jamie und beobachtete ihn mit angstvollen Augen.
    Mit lautem Getöse brach das Eis, ein Loch von der Größe eines Kleinbusses tat sich unter Martin Strichen auf, und dann war er verschwunden. Das schwarze Wasser schluckte seinen letzten Schrei.
    Von der anderen Seite schlich Jamie sich ängstlich an das Loch heran und spähte in die tintenschwarze Tiefe.
    Martin tauchte nicht wieder auf.

39
    Logan sah dem Krankenwagen nach, dessen Rücklichter durch die lautlos herabwirbelnden Schneeflocken flimmerten und schließlich in der Ferne verschwanden. Sie hatten Watson abtransportiert: Gehirnerschütterung, Unterkühlung, einige üble Prellungen und Quetschungen und ein paar gebrochene Rippen. Wegen der Bisse würde sie eine Tetanusspritze bekommen. Nichts, weswegen man sich Sorgen machen müsse, hatte der Rettungssanitäter gesagt. Nicht, wenn man sich überlegte, was hätte passieren können …
    Logan stieg in den Zivilwagen, den er sich auf dem Parkplatz des Präsidiums unter den Nagel gerissen hatte, ließ den Motor an und drehte die Heizung voll auf. Dann ließ er den Kopf auf das Lenkrad sinken und stöhnte. Constable Jackie Watson und Jamie McCreath waren auf dem Weg ins Krankenhaus, und Simon »das Arschloch« Rennie war schon dort. Aber Martin Strichen war tot, und seine Mutter auch.
    Er blickte gerade rechtzeitig auf, um zu sehen, wie eine Luxuslimousine vor dem Haus parkte. Zwei lange, elegant gekleidete Beine schwangen sich vom Fahrersitz in den Schnee hinaus. Die Pathologin war gekommen. Logans Stimmung sackte noch ein paar Grad tiefer.
    Isobel MacAlister trug eine Art Bond-Girl-Winter-Outfit aus Kamelhaar und edlem Pelz.
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