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Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)

Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)

Titel: Die dunklen Gassen des Himmels: Bobby Dollar 1 (German Edition)
Autoren: Tad Williams
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möchte gern hier bleiben. Ich meine, ich mag diesen Job. Den eigentlichen Job, nicht … nicht das, wofür sie mich hergeschickt haben.«
    Ich wusste nicht genau, ob ich bereit war, ihm das zu glauben. »Sam hat gesagt, das ganze Zeug, das du ihn gefragt hast, war nur erfunden. All dieses ›Warum sind wir hier, was läuft da wirklich?‹ – nur um so zu tun, als ob du den Status Quo infrage stellst.«
    Ein seltsamer Ausdruck huschte über sein Gesicht. »Klar. Alles nur erfunden, um zu schauen, ob ich ihm was entlocken konnte. Warum? Stellen Sie denn nie mehr solche Fragen, Bobby?«
    Ich versuchte ihn zu hassen, konnte es aber nicht. Er war nur ein eifriger junger Funktionär, der seinen Job machen wollte. Nur ein weiterer rechtschaffener Engel des Herrn. »Ich hab dir doch schon gesagt, Junge, ich stelle nur Fragen, bei denen ich auf eine Antwort hoffen kann.«
    Er nickte. »Vernünftig. Immer schön auf dem Teppich bleiben. So handelt man sich keine Probleme ein.«
    Jetzt war ich es, der ihn komisch ansah. Wollte mich der Junge provozieren, etwas Verfängliches zu sagen, oder warnte er mich genau davor? Oder war irgendwas ganz anderes mit ihm – etwas Komplizierteres?
    Nein. Nicht anbeißen. Ich schob mich vom Tisch weg und stand auf, was in meiner Verfassung schwerer war, als es klingt. Ich hatte schon viel zu viel Zeit damit verbracht, mich von solchen Fragen hin und her zerren zu lassen, und brauchte dringend wieder Schlaf. Ich brauchte auch noch anderes, aber Schlaf war das Einzige, das ich mit einiger Wahrscheinlichkeit kriegen würde. Außerdem konnte Schlafen nur besser sein, als hier zu sitzen und Jimmy the Table und Sweetheart über die alte Geschichte von dem Mann lachen zu hören, der bei einem Einbruchsversuch durch ein Oberlicht fiel und starb und dann seinem himmlischen Anwalt weiszumachen versuchte, er habe auf den Dächern nur nach bedrohten Vogelarten Ausschau gehalten.
    Nicht dass es keine gute Geschichte gewesen wäre.
    Ich nickte Clarence zu und ging dann zum Ausgang. Monica schaute gerade in die andere Richtung, was mir eine Verabschiedung ersparte.
    Mein Wagen stand immer noch auf dem Parkplatz des Ralston, also ging ich zu Fuß, was meiner Stimmung entsprach. Es war eine ganz passable Spätfrühlingsnacht, und aus den Bars an der Main Street kamen ein paar Leute. Ich ließ mich mit ihnen dahintreiben, hörte den Unterhaltungen zu, staunte über die Blasen, in denen diese Sterblichen lebten, über all die vielenDinge um sie herum, die sie nicht sehen konnten und auch nicht sehen wollen würden. Ich hätte in meine Wohnung zurückkehren können, aber dort hatte ich schon lange nicht mehr geschlafen. Es würde kalt sein, und das Bett müsste neu bezogen werden, und das gab dem Ganzen etwas von Arbeit, wo ich doch weiter nichts wollte als ausgiebig duschen. Also ging ich noch ein letztes Mal in das Motel, wo ich mich nach der Sache im Shoreline-Park von Garcia und Clarence hatte absetzen lassen. Schließlich hatte ich mich langsam an Motels gewöhnt.
    Als ich den Jefferson Boulevard entlanghumpelte, verschwanden die Clubgänger und Barbesucher nach und nach zu ihren Autos oder Bushaltestellen, bis ich als einziger Fußgänger übrig blieb. In den Apartmenthäusern rechts und links war Ruhe eingekehrt, nicht mal mehr in der Hälfte der Fenster brannte Licht, und die Illuminationsmuster erinnerten an moderne Kunst. Ich ging in eine Eck-Bodega und kaufte bei dem Mann hinterm Ladentisch, der den Blick kaum von der Pandschabi-Seifenoper auf seinem kleinen Fernseher wandte, eine Flasche mit etwas Trinkbarem.
    Als ich schließlich in meinem Zimmer im Mission Rancho Motor Lodge ankam, war ich gar nicht mehr so müde. Ich legte meine Jacke ab, machte mein Handy aus und Musik an und nahm meinen Drink mit auf den Balkon. Jenseits des Parks war die alte Mission dunkel bis auf die eine Glühbirne über der Tür. In einigen anderen Motelzimmern brannte noch Licht, aber die Gäste waren ausnahmsweise mal ziemlich leise. Unten auf der Straße führte ein Mann pfeifend einen alten Hund Gassi, der alle paar Schritte stehen blieb, um etwas zu beschnüffeln.
    Nach einem solchen Tag entschied ich mich gegen ein Glas. Ich trank meinen Orangensaft aus der Flasche, sah zu, wie die Insekten das kleine Licht an Gottes erstem Haus in San Judas umschwirrten, und ließ mir von meinen Geistern Gesellschaft leisten, den alten und den neuen.

ENDE

Informationen zum Autor
    © Marijan Murat
    Tad Williams , 1957 in
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