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Die dunklen Farben des Lichts (German Edition)

Die dunklen Farben des Lichts (German Edition)

Titel: Die dunklen Farben des Lichts (German Edition)
Autoren: Andrea Gunschera
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Straßenseite und fragte nach Kornblumen.
    Die Verkäuferin lächelte, wie immer, wenn er sie darum bat. „Tut mir leid. Aber ich habe Mohn da.“
    Er betrachtete die seidigen roten Blüten. Sein Blick wanderte weiter und blieb an den Tulpen hängen.
    „Die da auch“, murmelte er. „Die weißen.“
    „Tulpen und Mohn?“ Sie hob eine Handvoll von den Blumen heraus. „Einen großen Strauß?“
    Er nickte.
     
     
     
    Er drückte die Blüte zurück, die nach vorn gefallen war. Wasser schimmerte halbhoch in der großen Glasvase. Die Mohnblätter zitterten unter jedem Windhauch, der durch das geöffnete Fenster drang.
    Sorgfältig breitete er die Zeitungen auf dem Boden aus.
    Er faltete die oberste auf, De Standaard , das Magazin, in dem Peter Baeskens seine Kunstkritiken veröffentlichte.
    Sein Herzschlag beschleunigte sich.
    Wie ein Geschenk fühlte es sich an, wie Lagen knisternden Seidenpapiers, die einen kostbaren Inhalt beschützten. Blütenblätter um eine Knospe. Der Duft der Druckerschwärze betörte ihn. Bewusst zügelte er seine Ungeduld. Statt die Bögen beiseite zu reißen, blätterte er jede Seite einzeln um.
    Und fand ihn, seinen Artikel.
    Ein Foto füllte die linke Seite, ein Lichtreflex auf Helenes Haar, ein Blick in die Universen.
    Es war etwas dunkel, die Kontraste zu hart. Dennoch, unverwechselbar, war es sein Werk. Ehrfürchtig strich er mit dem Handrücken darüber.
     
     
     
    „... kommen wir also zu der Frage, was den Künstler vom Handwerker unterscheidet.
    Die Autonomie im Entwurf. Die Befähigung, Eigenständiges zu schaffen, eine individuelle Aussage zu treffen. Diesen Anspruch vermissen wir. Stattdessen werden wir konfrontiert mit einem dreisten Abklatsch altmeisterlicher Technik, ohne Verständnis für die größere Komposition...“ 
    Henryk bewegte die Lippen, während er las, ein drittes und viertes Mal.
    Das Papier schien durchscheinend geworden zu sein. Er spürte es kaum noch zwischen den Fingern.
    Ein Kommentar von Peter Baeskens , stand in der letzten Zeile.
    Lautlos glitt die Seite zu Boden.
     
     
     
    Lange Zeit saß er auf den kalten Steinen.
    Der Regen ließ nach und versiegte. Wind kam auf und zerstreute die Wolken. Eine schwache Sonne brach sich in den Wassertropfen am Fenster.
    Er starrte zu Boden und blickte auf die Zeitung, ohne sie zu sehen. Sein Kopf fühlte sich leicht an, nicht fähig, einen Gedanken festzuhalten. Selbst seine Verzweiflung löste sich auf in allumfassender Leere.
    Lauwaerts Richtspruch kreiste in seinem Bewusstsein.
    Diese Kritiker sind ein wankelmütiges Volk. Sie sind wie eine Herde Schafe, warten immer, was der Leithammel tut.
    Der große Peter Baeskens hatte gesprochen.
    Andere würden folgen.
     
     
     
    Später erhob er sich und stellte Helenes Porträt auf die Staffelei.
    Er fragte sich, ob sie es gewusst hatte. Ob sie seinen Sturz vorausgesehen hatte, schon am Abend der Vernissage, und sich deshalb so zurückhaltend gegeben hatte.
    Sie unterstützte Peter beim Verfassen seiner Kritiken und Artikel? Wie viel von dem Verriss stammte aus ihrer Feder?
    Er verstand einfach nicht, warum Peter das getan hatte. Er hatte geglaubt, dass Freundschaft sie verband. Die ganze Zeit hatte er aufgeblickt zu Peter wie zu einem Mentor. Und Peter war sich dessen bewusst gewesen, hatte damit kokettiert. Er hätte das nicht schreiben müssen.
    Doch nun stand es schwarz auf weiß gedruckt, ein offenkundiger Verrat.
    Vielleicht hätte ich es ihm sagen sollen, dachte er. Dass ich nichts anderes getan habe, als seine Thesen in Bilder umzusetzen. Oder hatte es mit Helene zu tun? Wollte Peter ihn vernichten, um ihre Verbindung zu brechen? Das war doch absurd. Peter brauchte sie nicht. Nicht so, wie Henryk sie brauchte.
    Die Zeitungen knisterten, als er sie mit dem Fuß beiseite schob. Wie ein Schlafwandler bewegte er sich, ging in die Küche und entkorkte eine Flasche Rotwein. Er füllte ein Wasserglas und drückte eine Handvoll Tabletten aus den Folien.
    Er warf sie in den Mund und spülte sie hinunter, leerte das Glas bis auf den Grund und goss es heftig wieder auf. Wein spritzte auf die Papierbögen.
    Er musste mit Peter reden. Der Gedanke durchbrach die Oberfläche und funkelte dort mit kristallener Schärfe. Vielleicht war alles ein Missverständnis.
    Ein Missverständnis?
    Ihn würgte ein bitteres Lachen.
    Mit tauben Fingern tastete er nach seinem Telefon und wählte Peters Nummer. Das Rufsignal klang seltsam verzerrt.
    Er ließ es klingeln, bis die
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