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Die dunkle Treppe

Die dunkle Treppe

Titel: Die dunkle Treppe
Autoren: Helen Fitzgerald
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sie gesagt, könne ja sein, dass er die Maske nicht getragen habe, aber vielleicht sei sie sowieso nie getragen worden – schließlich seien die Fingerabdrücke, das Blut und die Exkremente darauf noch nicht identifiziert worden. Was hatten sie noch gegen ihn in der Hand? Irgendetwas mussten sie finden.
    Und sie fanden etwas. Eines Nachmittags hatte ein Beamter Petes Arbeitsplatz aufgesucht und war auf ein gestohlenes Portemonnaie in seinem Spind gestoßen.
    »Einige von den anderen Angestellten hatten es auf Bronwyn abgesehen. Sie haben ihr eine Falle gestellt«, erklärte Pete. »Ich wollte ihr bloß helfen. Hab mich reingeschlichen, das Portemonnaie aus ihrem Spind genommen und bei mir versteckt. Ich wollte es seiner Besitzerin heimlich zurückgeben, aber die ist bislang nicht wiedergekommen.«
    »Warum haben Sie das Portemonnaie nicht zur Polizei gebracht?«
    »Ich habe eine Allergie.«
    Die Beamten fanden schnell heraus, weshalb Pete eine Allergie gegen Gesetzeshüter hatte: Seit er sechs Monate zuvor aus Australien abgeschoben worden war, hatte er die meiste Zeit damit verbracht, zwielichtige Typen zu kontaktieren, die ihm vielleicht bei seiner Rückkehr helfen konnten.
    »Warum haben Sie einen gefälschten Pass gekauft?«, wollte Vera Oh wissen.
    »Weil ich nach Hause wollte«, sagte Pete. Er warf einen Blick über die Schulter. Wohin schaute sie gerade?
    »Warum haben Sie in Marokko das Kreuzfahrtschiff verlassen?«
    »Weil ich nach Australien wollte.«
    »Warum haben Sie das Treffen mit Ihrem Bewährungshelfer platzen lassen?«
    »Weil ich eine Verabredung mit jemandem hatte, der mir helfen wollte, nach Australien zu kommen.«
    Pete hatte es Tag und Nacht probiert. Er hatte mehr Menschenhändler und Passfälscher kennengelernt als die meisten Kriminellen in ihrem ganzen Leben, und er hatte all sein Geld für Fluchtversuche ausgegeben, die ausnahmslos schiefgegangen waren. Seine Pläne waren im Sand verlaufen, und er hatte befürchtet, nie mehr zurückzukommen.
    Aber dann hatte er Bronny getroffen, und irgendetwas an ihr war ihm ähnlich verloren erschienen wie er selbst. Ihm gefiel die Art, wie sie sich um Pflanzen kümmerte und genussvoll aß, wie sie okey dokey sagte, wenn sie nervös war. Er hatte nach und nach den Geruch der Eukalyptusbäume vergessen, den australischen Horizont, der gleichzeitig überall und nirgendwo hinzuführen schien. Bronny war schön, ohne auch nur die leiseste Ahnung davon zu haben. Sie war so natürlich wie das Land, das er liebte – ein Land, das nicht so gestutzt war wie die grünen Hecken und Felder Englands. Fast schon ungepflegt. Manchmal sogar gefährlich. Rau, unwirtlich, unbestimmbar. Und unendlich verlockend.
    Pete war noch nie in seinem Leben verliebt gewesen. Er war zu sehr mit seiner Wut beschäftigt gewesen. Wut auf seine Mutter, weil die eine Säuferin war. Wut auf seinen Vater, weil der sich aus dem Staub gemacht hatte. Wut auf die Welt, die ihn für Abschaum hielt. Ihm war gar keine Zeit für etwas anderes geblieben – außer vielleicht für eine ausgedehnte Spritztour in staubiges, weites Land unter einem hohen, endlosen Himmel auf einer schnurgeraden, ebenen Straße.
    ***
    Er merkte, dass die Polizisten ihn zu mögen begannen, und nachdem die zweite der beiden jungen Frauen im Keller als Leanne Donohue aus Ballarat identifiziert worden war, wollten sie ihn fast schon gehen lassen. Angeblich war Leanne Donohue fünf Monate zuvor in Devon aus einem Boot ins Wasser gefallen. Hamish war bei ihr gewesen. Die beiden hatten gemeinsam Europa bereist und waren allem Anschein nach die weltbesten Kumpel gewesen. Hamish hatte sich intensiv an der Suche beteiligt und sogar die Familie getröstet. Er war nach Australien geflogen, um an Leannes Beerdigung teilzunehmen – eine Beerdigung ohne Leiche. Es war genau diese Reise, die Hamish als Alibi für Celias Entführung gedient hatte. Aber die Polizei fand schnell heraus, dass er nicht länger als vier Tage in Australien gewesen war. Und weil Celia, ihrer körperlichen Verfassung nach zu urteilen, lange Zeit sich selbst überlassen worden sein musste, taugte die Australienreise nicht länger als Alibi.
    Dann traf per Fax aus Kanada das Gutachten zu Hamishs Vorgeschichte ein. Als Informatikstudent der Universität Toronto war er während seines dritten Studienjahrs wegen sexueller Nötigung verurteilt worden:
    Mr Watson hat niemals eine intime Beziehung zu einer Frau aufgebaut. Er gibt zu, sich sexuell unzulänglich zu
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