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Die dunkle Seite des Weiß

Die dunkle Seite des Weiß

Titel: Die dunkle Seite des Weiß
Autoren: Yalda Lewin
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Ich habe jahrelang versucht, sie zurückzukreuzen. Hatte Unterstützung von dem besten Botaniker, den ich finden konnte.«
    »Christoph Merseburg«, sagte ich laut.
    Ewald nickte. »Christoph Merseburg ist ein exzellenter Wissenschaftler, der es stets verstanden hat, unauffällig in der zweiten Reihe zu bleiben. Dank der Labore von KehPharma war es möglich, die Versuchsreihen durchzuführen. Und dank Merseburgs Verschwiegenheit wusste niemand sonst davon.«
    »Nur Ernesto Sanchez. Er hat damals den Kontakt hergestellt«, sagte ich. Ich war inzwischen vollkommen ruhig. Das Puzzle setzte sich zusammen, Stück für Stück. Und es war nur noch eine Frage der Zeit, bis alle Teile ein sinnvolles Ganzes ergaben.
    »Er hat bedauerlicherweise den falschen Weg eingeschlagen. Nicht einmal Christoph konnte ihn umstimmen.« Ewald zuckte mit den Schultern. »Schade um ihn. Sehr schade. Begabter junger Mann. Hätte ein Vermögen verdienen können. Aber jetzt mussten wir ihn aus dem Weg räumen.«
    »Er hat es vorgezogen, sich nicht mit kriminellen Machenschaften abzugeben«, sagte ich.
    Ewald lachte. »Sie vergeben schnell. Er war es doch, der Ihr ganzes Leben zerstört hat, oder nicht? Zugegeben, auf meine Anweisung. Oder sagen wir besser: auf die Anweisung von Albert Morius. Ihm blieb nichts Anderes übrig, aber letztendlich hat er Sie ruiniert, Jakob Roth. Ich bezweifle, dass Ihr Leben jemals wieder ganz in Ordnung kommen würde.« Er musterte mich prüfend. »Aber das ist auch nicht nötig. Denn, wie gesagt, aus diesem Keller kommen Sie lebend ohnehin nicht mehr heraus.«
    Ich straffte mich.
    Alles, was ich hatte, war der Überraschungseffekt. Und das Wissen, dass Ewald davon ausging, ich würde nicht schießen. Doch er kannte mich schlecht. Querschläger konnten vorkommen, ja. Und wenn ich Pech hatte, dann stand ich gleich in einem von mir selbst erzeugten Kugelhagel. Aber es war die einzige Chance, die mir blieb.
    »Dann sollten wir unsere kleine Plauderei beenden und Worten Taten folgen lassen.«
    Ich hob die Waffe und richtete sie auf Ewald. Sah seine Augen aufblitzen. Doch bevor ich abdrücken konnte, duckte er sich weg.
    Der Schuss, der sich aus meiner Pistole löste, schlug in der Wand ein.
    Ich hörte Ewald lachen. »Sie sind ein Narr.« Er verschwand in einem kleinen Gang.
    Ich spürte, wie mein Puls das Blut schneller durch meine Adern jagte. Es war der Gang, der zu Claras Raum führte.
    Ich unterdrückte ein Fluchen, fasste meine Waffe fester und eilte ihm nach. Die Kerze war nicht mehr als ein tanzendes Licht. Ewald kannte die Gänge besser als ich, er war schneller, viel schneller. Er sprang von links nach rechts, wieder zurück, sodass ein Zielen unmöglich war. Ich konnte auch nicht stehenbleiben, denn die Gefahr, dass dann der leichte Schein des Lichtes nicht mehr ausreichte, war zu groß. Ohne Licht war ich hier unten verloren.
    Dieser Gedanken traf mich wie ein Blitz. Ewald musste nur die Kerze löschen und ich saß in der Falle! Er würde genüsslich dabei zusehen, wie ich verzweifelt den Rückweg suchte. Und dabei in einem der Schächte in den sicheren Tod stürzte!
    Keuchend beschleunigte ich meine Schritte. Ich musste ihn einholen!
    Ewald hatte Claras Raum erreicht und schloss die Tür hinter sich. Ich tastete mich mit rasendem Herzen an der Wand entlang, um die letzten Meter in der Dunkelheit zu überbrücken. Nur ein schmaler Spalt Licht drängte sich unter der Tür hindurch. Als ich sie schließlich erreichte, blieb ich stehen, atmete tief durch und hob die Waffe. Was erwartete mich in diesem Raum? Was hatte Ewald vor? Mit voller Kraft trat ich gegen das schwere Holz.
    Die Tür flog aus den rostigen Angeln. Ich stürmte in den Raum – und stoppte unwillkürlich mitten in der Bewegung. Vor mir stand Ewald. Das Gesicht leuchtend, als hätte er seit langem auf diesen Moment gewartet. Die nie verlöschenden Kerzen im Zimmer standen reglos in den Nischen wie stille Wächter. Und die unzähligen Präparate der Lungenflügel schienen ein leises Atmen von sich zu geben.
    Ein und aus.
    Ein und wieder aus.
    Ewald lächelte sanft. »Nehmen Sie die Waffe runter.«
    Mein Blick wanderte von seinem Gesicht hinunter zu seiner rechten Hand. Er hielt eine Spritze darin, die gefüllt war mit einer Flüssigkeit, die ich nicht zuordnen konnte. Es war nicht das goldene Mittel aus der Phiole. Es war etwas Anderes.
    »Matt«, sagte Ewald.
    Seine linke Hand schnellte vor, packte mich an der Schulter und brachte mich aus dem
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