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Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda

Titel: Die dunkle Chronik der Vanderborgs. Amanda
Autoren: Bianka Minte-König
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auch bewusst.«
    Sie ließ ihren Mantel bringen. »Also richte dich darauf ein, meine Liebe. Wir wären zunächst mit dem Westflügel zufrieden …«
    Sie schlüpfte in ihren Mantel und ging dann mit festen, kleinen Schritten zur Tür, dort drehte sie sich noch einmal um und meinte mit falschem Lächeln: »Wir werfen euch ja nicht raus … ich denke, man kann sich arrangieren.« Sie öffnete die Tür. »Ich finde alleine hinaus.«
    Das musste sie auch, denn ich war zu keiner Bewegung fähig. Wie versteinert stand ich da und starrte ihr nach. Schließlich sank ich fassungslos in einen Kaminsessel und wusste nicht, was mich mehr erschütterte: Utz’ Rückkehr oder ihre Ankündigung, bei uns einziehen zu wollen.
     
    Wir hatten nun allerdings einige Probleme.
    Sobald Onkel Hansmann und Tante Gertrud einzogen, würden sich Aaron und Sarah nicht mehr frei im Haus bewegen können, denn Hansmann wusste ja, dass sie Juden waren, und würde es nicht dulden, dass wir sie weiter versteckten.
    Sie mussten also schnellstens komplett nach unten in das Geheime Gewölbe umziehen und nun besonders vorsichtig sein.
    Das würde für unsere illegale Schleusertätigkeit ebenfalls gelten, denn es war anzunehmen, dass Hansmann auch auf Blankensee sofort wieder in der SA aktiv werden würde, falls er nicht sogar gleich als neuer Gauleiter fungierte.
    Die Gefahr, entdeckt zu werden, wuchs jedenfalls deutlich. Nur noch nachts und in größter Heimlichkeit würden wir Verfolgte in das Geheime Gewölbe schmuggeln könnenund wären dennoch nie sicher, ob uns Hansmann nicht längst von der Gestapo observieren ließ, um uns verhaften zu lassen und Gut Blankensee ganz für sich zu haben.
    Dass wir nun auch noch ständig vor Utz auf der Hut sein mussten, der ebenfalls jederzeit hier auftauchen konnte, war eine weitere permanente Bedrohung, die zusätzlich an den Nerven zerrte.
     
    Ich saß am Abend nach Gertruds Besuch mit Conrad, Friedrich und Klara im Geheimen Salon, und wir überlegten, wie es nun weitergehen sollte.
    Wir waren sehr deprimiert, um nicht zu sagen verzweifelt, und ich war nahe daran, Klara zu bitten, für uns auch falsche Papiere zu besorgen, damit wir uns ins Ausland absetzen konnten. Es wäre nicht die schlechteste Lösung gewesen. Aber wohin?
    Hitlers Krieg hatte inzwischen den halben Kontinent überrollt. Vom Atlantik bis zum Kaukasus war er in der Hand seiner Generäle. Im faschistischen Italien herrschte Mussolini, in Spanien der Faschist Franco, Frankreich war fast vollständig besetzt, Österreich dem Reich angeschlossen und die Schweiz machte mittlerweile die Grenze dicht. Nicht einmal mehr das Internationale Rote Kreuz konnte noch Aufnahmen erreichen.
    »Ich kriege niemanden mehr raus«, meinte Klara betrübt, »für uns ist es nun auch schon zu spät. Die Gefahr, verpfiffen und an der Grenze geschnappt zu werden, ist inzwischen einfach zu groß. Da sind wir hier unten sicherer. Irgendwann muss sich doch das Kriegsglück einmal wenden. Es kann doch nicht sein, dass Hitler mit diesen frechen Angriffen dauerhaft Erfolg hat.«
    Sie drehte an den Knöpfen des Volksempfängers, um dieFrequenz eines ausländischen Senders einzufangen, aber es kam nur ein Rauschen aus dem Lautsprecher.
    Es schien tatsächlich, als hätten die Nazis das Glück gepachtet, und so würde uns nichts anderes übrig bleiben, als Hansmann und Gertrud zu akzeptieren. Ich war nur froh, dass ihr Sohn Alfred mit seinem achtzehnten Geburtstag zur Wehrmacht wollte. Wenn der auch noch hier herumschnüffeln würde, wäre ich freiwillig wieder zu Professor Müller-Wagner in die Irrenanstalt gegangen.
     
    E
s war in der Nacht des 2. auf den 3. März 1942, als ein furchtbares Unglück geschah und sich Conrad, trotz aller Sicherheitsvorkehrungen, während der Verwandlung von seinen Ketten losriss, mit berserkerhafter Gewalt die Tür seiner Zelle sprengte, im Geheimen Gewölbe Amok lief und sogar unsere Freunde angriff. Sarah und Aaron standen kreidebleich und zitternd vor dem grauenhaften Monster, als ich entdeckte, dass Conrad entkommen war. Ich stürzte mich ohne Zögern auf ihn, weil ich mir sicher war, dass er mir nichts antun würde.
    »Conrad, lass ab«, versuchte ich ihm zu befehlen, und als das nichts nützte, flehte ich: »Um unserer Liebe willen, Conrad, bitte!« Er schnappte mit seinem riesigen Fang nach mir, jaulte dann aber klagend auf, so als hätten ihn meine Worte schmerzhaft ins Herz getroffen, und wandte sich zur Flucht. Doch ich verfolgte ihn
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