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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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ziemlich der Abscheu von jedermann, fiel es eines Tages ein, sich eine Frau zu nehmen, und aus Zufall geriet er an eine, die zart und weiß war wie die Haut einer Zwiebel und die, als sie die Schäbigkeit und Hinfälligkeit des alten Schinderhannes sah, sich mehr Mühe gab, sein Haus zu einer Wohnung des Glücks zu machen, als eine andre getan hätte, um seinen Kahlschädel in einen Wald hörnerner Gewächse zu verwandeln.

     
    Aber obwohl sie sich eine Lust daraus machte, ihm in allen Stücken gehorsam zu sein, und um des lieben Friedens willen ihm am liebsten lauter Goldstücke in den Nachttopf gemacht hätte, wenn es Gottes Wille gewesen wäre, hatte das Scheusal dennoch fortwährend an ihr auszusetzen und war mit Prügel so verschwenderisch gegen die gute Bettgenossin wie ein Schuldenmacher mit Versprechungen am Verfalltag. Diese Mißhandlungen hörten nicht auf, trotz der Engelsgeduld der armen Frau und ihrer Sorgen und Mühen; sie konnte sich aber mit der Zeit keineswegs daran gewöhnen und nahm endlich ihre Zuflucht zu ihren Verwandten.

     
    Als darauf die Familie im Hause des Büttels erschien, erklärte dieser, daß seine Hausfrau halb blödsinnig sei, daß er nichts als Ärger und Verdruß mit ihr habe und daß sie ihm das Leben unerträglich mache; bald wecke sie ihn mitten im Schlaf auf, bald ließe sie ihn, ohne ihm aufzuschließen, in Nebel und Kälte vor der Türe warten. Nie seien seine Sachen in Ordnung. Überall fehlten die Knöpfe und die Haften. Seine Wäsche verschimmele, der Wein werde zu Essig, das Holz sei nie trocken, das Bett knarre, um es nicht auszuhalten, kurz, es sei ein Elend. Auf diese niederträchtigen Reden antwortete die Frau damit, daß sie Kleider, Wäsche und alles vorzeigte, da fehlte es nirgends am Richtigen. Der Gerichtsbüttel aber gab sich nicht geschlagen, er behauptete, daß sie ihn schlecht behandle, daß das Essen nie rechtzeitig bereit sei, daß die Fleischbrühe keine Augen habe und daß niemals die Suppe anders als kalt auf den Tisch komme. Wenn Wein da sei, fehlten die Gläser, und zu den Gläsern gäbe es keinen Wein. Das Fleisch sei halb roh, nichts sei mit Liebe zubereitet, der Senf sei schimmlig, in den Brühen fände er Haare, das Tischtuch sei so unsauber, daß ihn ekele; nichts könnte sie machen, wie es seinem Geschmack entspräche. Die Frau, aufs höchste bestürzt, wies die ungerechten Anschuldigungen zurück, so gut und so höflich sie konnte.
    ›Was?‹ schrie er, ›du leugnest noch, du Sudelgans? Gut, ich lade euch alle für heut abend hier zum Essen ein; da mögt ihr dann urteilen. Wenn sie's auch nur das eine Mal fertigbringt, mich zufriedenzustellen, will ich unrecht haben in allem und jedem, will nie wieder die Hand gegen sie erheben, sie mag die Hosen anziehen und den Pantoffel schwingen, ich werde ihr das Kommando abtreten.‹
    ›Gott sei gelobt‹, sprach sie in der Freude ihres Herzens, ›so werde ich von nun an nicht mehr Magd, sondern Herrin sein.‹
    Der Ehemann, der mit der weiblichen Natur und Schwäche rechnete, befahl, daß der Tisch im Hof unter der Weinlaube gedeckt werden solle; wenn sie sich dann auf dem weiten Hin- und Hergange verspätete, wollte er ein Mordsgeschrei machen.
    Die gute Hausfrau nahm alle fünf Zipfel zusammen. Die Schüsseln waren blank, um sich drin zu spiegeln, der Senf war frisch und vorzüglich angemacht, das Essen war gekocht mit aller Kunst, es kam so heiß auf den Tisch, um sich die Zunge daran zu verbrennen, und war appetitlich wie eine verbotene Frucht. Die Gläser blinkten, der Wein war richtig abgekühlt, blank und funkelnd, mit einem Wort, die Mahlzeit würde der Köchin eines Bischofs Ehre gemacht haben. – Die Frau aber war gerade daran, am Tischtuch das letzte Fältchen zu glätten und, wie gute Hausfrauen pflegen, über das Ganze zum Überfluß noch einen Blick zu werfen, als ihr Mann an die Türe klopfte. Nun war aber ein vermaledeites Huhn auf das Weingeländer geflogen, um sich an den süßen Trauben seinen Nachtisch schon vor Tisch zu nehmen, und siehe, diese Kanaille ließ im letzten Augenblick einen wüsten Haufen Schmutz mitten auf das weiße Tischtuch fallen.
    Die gute Frau fühlte sich aus Verzweiflung einer Ohnmacht nahe; sie wußte sich nicht anders zu helfen, als daß sie auf die Schweinerei, die ihr das Vieh gemacht, rasch einen Teller setzte und ihn mit den Früchten füllte, wovon sie alle Taschen voll hatte, unbekümmert darum, daß die Symmetrie ein wenig gestört wurde. Damit
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