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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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zusammen die heikle Sache und beschlossen zuletzt, die Königin Margarete von Navarra an den armen Franz abzusenden, um ihn zu trösten in seiner Betrübnis; denn die junge Königin war heiter, in allen Wissenschaften unterrichtet und vom König über alles geliebt. Sie aber wandte dagegen ein, daß es bei dieser Botschaft um ihr Seelenheil ginge, da sie keineswegs die Gefahr verkenne, der sie sich aussetze, wenn sie den König allein in seinem Kerker besuchte. Darum wurde schleunigst ein gewandter Sekretarius an den Hof von Rom abgesandt und ihm Auftrag gegeben, beim römischen Pontifex ein Breve auszuwirken mit ganz speziellen Ablässen und Absolutionen für etwaige kleine Sünden – es handelte sich um Bruder und Schwester –, die die genannte Königin Margarete bei ihrem Geschäft, die Melancholie des Königs zu heilen, allenfalls begehen könnte.
    Zu dieser Zeit war ein Holländer, genannt Hadrian, im Besitz der dreifachen Krone, ein guter Kerl im übrigen, der trotz der schulmeisterlichen Bande, die ihn mit dem Kaiser verknüpften, nicht vergaß, sondern wohl in Erwägung zog, daß es sich hier um den ältesten Sohn der heiligen Kirche handle. Er zeigte sich so entgegenkommend, daß er einen außerordentlichen Legaten nach Spanien sandte, mit voller Plenipotenz, alles zu gewähren und vorzusehen, was, ohne dem Vorteil Gottes zu nahe zu treten, die Seele der Königin und den Leib des Königs zu salvieren nur irgend erforderlich sei.
    Diese hochwichtige Angelegenheit beschäftigte aber nicht nur die Köpfe aller Höflinge, sondern kitzelte ganz außerordentlich auch die Damen des Hofs, die, aus Ergebenheit gegen die Krone, sich fast alle angeboten hätten, nach Madrid zu gehen, wenn sie nicht das finstere Mißtrauen des Kaisers gekannt hätten, der dem König die Gunst verweigerte, einen seiner Untertanen, ja auch nur ein Mitglied seiner Familie bei sich zu empfangen.
    In der Tat mußten vor der Abreise der Königin von Navarra nach Spanien lange Unterhandlungen gepflogen werden, und in all der Zeit sprach man am Hof von nichts als von dieser bedauerlichen Fastenübung und Mönchsenthaltsamkeit, die der teutonische Karl einem König auferlegte, der sein Leben lang so ausgiebig an das Gegenteil gewöhnt war. Soviel des Redens war hierüber, daß die guten Damen zuletzt alle nur noch vom Hosenladen des Königs träumten. Die Königin besonders bedauerte, keine Flügel zu haben, worauf ein Herr Odon von Castilion antwortete, daß sie deren nicht bedürfe, um ein Engel zu sein. Eine andre Dame, die Frau Admiralin, haderte mit Gott, daß sie nicht durch einen Kurier dem König das schicken konnte, was ihm so sehr abging und das ihm doch jede von ihnen so gern geliehen hätte...

     
    »Wie gut, daß es der liebe Gott festgemacht hat«, bemerkte lachend die Frau Dauphine und künftige Königin Catherine, »unsre Männer würden es sonst auf ihren Reisen und Fahrten mit sich nehmen, und wir hätten das Nachsehen ...«
    So wurde hin und her geredet, und als die süße Margarete abreiste, wurde es ihr von den christlichen Damen dringend ans Herz gelegt, den armen Gefangenen zu küssen für alle Damen des Königreichs zusammen. Wenn es diesen guten Weibsen möglich gewesen wäre, Vorräte von Süßigkeiten der Liebe einzumachen wie Pflaumenmus oder Latwerge, bei Gott! Margaretchen hätte so viel mitgenommen, um beide Kastilien damit zu versorgen.
    Während nun die Frau Margarete, als gelte es, eine Feuersbrunst zu löschen, mit ihren Maultieren, dem Schnee zum Trotz, das Gebirge durchzog, war der König an einem Punkt angelangt, daß er meinte, die brennende Qual seiner Lenden nicht mehr länger aushalten zu können. In seinem Leben hatte er nicht so gelitten. In dieser höchsten Tribulation vertraute er sich dem Kaiser und bat ihn um ein klein bißchen Barmherzigkeit. Es sei, meinte er, eine ewige Schande für einen König, so rücksichtslos einen andern König umkommen zu lassen und noch dazu in seinem eignen Feuer. Der Kastilianer zeigte sich lieb Kind, und da er gedachte, sich für seine Hispaniolinnen an dem Lösegeld seines Gastes schadlos zu halten, machte er denen, die ihm für den Gefangenen hafteten, gewisse versteckte Anspielungen, dem König in dieser Sache zu Gefallen zu sein. Da war nun ein gewisser Don Hijos de Lara y Lopez Barra di Pinto, ein armer Obrist und Habenichts, unbeschadet seines ellenlangen Namens und noch längerer Genealogie, der schon lange daran dachte, sein Glück am französischen Hof zu
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