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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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niemand etwas bemerke, trug sie rasch die Suppe auf, lud jeden auf seinen Platz und wünschte freundlich: ›Gesegnete Mahlzeit!‹ Da waren alle voll Bewunderung über die schöne Ordnung und die guten Schüsseln, nur der Satan von Ehemann machte ein finsteres Gesicht, runzelte die Stirn und trommelte mit den Fingern auf dem Tischtuch, brummte und ließ seine Augen herumgehen wie ein Spion, ob er nicht etwas fände, womit er seine Frau vernichten könne. Da nahm sich die Frau ein Herz, denn diesmal in Gegenwart ihrer Verwandten war sie ihrer Sache sicher und durfte ihren Tyrannen einmal ungestraft ein wenig ärgern.
    ›Nun‹, sagte sie, ›ist das Essen nicht recht, ist es nicht vorzüglich zubereitet, ist das Tischtuch nicht tadellos weiß? Ist das Salzfaß nicht frisch gefüllt? Sind die Krüge nicht geschwenkt, der Wein nicht frisch, das Brot nicht braun wie Gold? Was fehlt noch? Was sucht Ihr? Wonach schaut Ihr aus? Was könnt Ihr noch wünschen? Nun, so sagt doch, was wollt Ihr noch?‹
    ›Einen Dreck!‹schrie er, rot vor Zorn.
    Hob schnell die Hausfrau jenen Teller auf und antwortete:
    ›Hier, mein Freund.‹
    Da wurde der Büttel ganz kleinlaut, er dachte, der Teufel müsse in seine Frau gefahren sein. Von den Verwandten bekam er strenge Vorwürfe, sie gaben ihm schwer unrecht, sagten ihm tausend Dinge, die er lieber nicht gehört hätte, und gossen in einer Spanne Zeit soviel Hohn und Spott über ihn aus, als ein Aktuarius in einem Monat nicht aufzuschreiben vermocht hätte.
    Seit diesem Tage vertrug sich der Büttel aufs beste mit seiner Frau, denn wie er nur das Maul verzog, fragte sie: ›Willst du wieder einen Dreck, mein Lieber?‹«
    »Wer hat das Unglaublichste erzählt?« rief der Angeviner, indem er dem Wirt auf die Schulter klopfte, als ob er einen Ochsen töten wollte.
    »Er selber, er selber!« riefen die beiden andern.
    Und dann fingen sie an zu disputieren wie Kirchenväter auf einem Konzil, gerieten sich in die Haare, warfen sich die Krüge an den Kopf, alles nur als Vorspiegelung natürlich, um von ihrer Bank loszukommen und im Gewühl der Schlacht sich unvermerkt zu drücken und das Weite zu gewinnen.
    »Laßt mich entscheiden!« rief der Wirt, der sich bedenklich hinter den Ohren kratzte, daß nur noch von Erzählung und nicht mehr von Zahlung die Rede war. Sie mußten innehalten.
    »Ich will euch eine bessere Geschichte zum besten geben, und ihr sollt mir nur zehn Groschen zahlen auf den Kopf.«
    »Hören wir den Wirt!« rief der Angeviner.
    »Es war einmal«, begann der Wirt, »in unsrer Vorstadt hier und der Pfarrei Notre-Dame La Riche, zu der auch meine Gastwirtschaft gehört, ein hübsches Mädchen, das außer seinen körperlichen Vorzügen einen schönen Sack voll Taler sein eigen nannte. Kaum alt und groß genug für die Würde und Bürde der Ehe, wurde sie auch schon von mehr Verliebten umschwärmt, als der Opferstock von Sankt Gatian am Tag der Ostern Pfennige enthalten mag. Sie wählte sich nun einen aus, der, mit Respekt zu vermelden, die Arbeit von zwei Mönchen, ihr wißt schon was für eine, zu leisten imstande war. Sie wurden bald handelseinig, und die Hochzeit stand nahe bevor. Aber die Verlobte sah der Brautnacht nicht ohne geheime Besorgnis entgegen. Sie litt nämlich an einer ärgerlichen Schwäche. In den Minengängen ihrer Kellerwohnung sammelten sich allzu häufig nichtsnutzige und ungeduldige Gase, die sich von Zeit zu Zeit mit Bombenknall entluden.

     
    Sie war darum in höllischer Angst, ein solcher vermaledeiter und vorlauter Windbeutel könnte in der gedachten Brautnacht ein Wort mitreden wollen, ohne daß er gefragt worden, und sie entschloß sich endlich, ihren Fall der Mutter zu gestehen, ob sie ihr vielleicht raten und helfen könne. Die gute Dame gestand ihr, daß diese Schwäche erblich sei in der Familie, daß sie selber seinerzeit viel darunter gelitten, daß ihr aber Gott in vorgerückterem Alter die Gnade verliehen, ihr Ventil in ihrer Gewalt zu haben, und daß ihr seit sieben Jahren, wo sie sich mit dem letzten sozusagen von ihrem sterbenden Manne verabschiedet, kein einziger Laut oder kein lauter Einziger mehr entschlüpft sei.
    ›Ich habe aber auch‹, sagte sie, ›von meiner Mutter ein sicheres Rezept erhalten, um den unberufenen Schreihälsen und vorlauten Trompetern das Maul zu stopfen, daß sie kaum mehr piepsen konnten, sondern sich leise und unvermerkt davondrücken mußten. Da ist dann, vorausgesetzt, daß sie nicht riechen, das
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