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Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)

Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)

Titel: Die dreißig tolldreisten Geschichten - 2 (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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Unglück vollständig abgelenkt. Das Rezept aber besteht darin, die windigen Gesellen kleinzukriegen, nämlich wenn sie sich melden, sie so lange zurückzuhalten, bis sie quasi ganz mürbe werden und keine Kraft mehr haben, also daß sie sich schämen und sich davonstehlen wie der Dieb in der Nacht. Man nennt das in unserer Familie: einen streichen lassen.‹
    Die Tochter bedankte sich bei ihrer Mutter und war glücklich, in die Tradition und Geheimwissenschaft ihrer Familie eingeweiht zu sein. Das Hochzeitsmahl war gut, sie aß für sieben, also daß sie nach und nach, ohne dran zu denken, geladen war wie der Blasbalg einer Orgel in dem Augenblick, wo der Pfaff sein ›introibo ad altare dei‹ anstimmt. Im Brautgemach nahm sie sich nun vor, die Bälge unmerklich etwas zu erleichtern in der kurzen Spanne Zeit, in der sie noch in dem Bett allein war, aber die bösen Windteufel trutzten und zeigten sich hartnäckig. Kam alsdann der Bräutigam, und los ging die lustige Schlacht, wo man mit zwei Dingen tausend Dinge macht, wenn man kann. Gegen die Mitte der Nacht wollte sich die Neuvermählte plötzlich unter irgendeinem Vorwand erheben, sie wollte gerade ein Bein über den Bräutigam hinwegsetzen, als es eine Explosion gab und einen derartigen Knall tat, daß ihr geglaubt haben würdet, die Balken der Decke seien geborsten.
    ›Ha‹, sagte sie, ›das habe ich schlecht gemacht.‹
    ›Gut hast du's gemacht, mein Schatz‹, antwortete ich, ›aber geh ja sparsam damit um, du kannst als Kanonier spielend dein Brot verdienen ... ‹ Die Neuvermählte war meine Frau.«
    Und die Scholaren brachen in ein schallendes Gelächter aus. Sie lachten, bis ihnen das Zwerchfell weh tat. Dann konnten sie nicht genug Ausdrücke des Lobes finden.
    »Hast du je einen tolleren Schwank gehört, Baron?«
    »Ah, welch eine Geschichte!«
    »Das heiß ich mir eine Geschichte.«
    »Eine wahre Erz- und Kardinalgeschichte.«
    »Die Königin aller Geschichten.«
    »Ha, jede andre Geschichte muß sich schämen vor dieser Geschichte.«
    »In Zukunft wird kein Mensch mehr andre als Herbergsgeschichten hören wollen.«
    »Bei meinem Christentum, das ist die beste Geschichte, die ich in meinem Leben gehört habe.«
    »Wahrhaftig, ich höre den Knall.«
    »Ich, ich rieche ihn.«
    »Ich möchte das Register küssen.«
    »Wahrlich, Herr Wirt«, sprach feierlich der Angeviner, »nun können wir nicht abreisen, ohne die schöne Frau Wirtin gesehen zu haben, und wenn wir nicht auch noch verlangen, ihr das wunderbare Instrument zu küssen, so geschieht es nur aus Respekt vor dem kunstreichen Erzähler.«
    Und also standen sie alle zusammen und machten den Wirt ganz närrisch wegen seiner Erzählung und sagten soviel Schmeichelhaftes über ihn und seine Frau, daß der Mann vom Bratenspieß, den das franke Lachen und soviel Beifall kirre machten, zuletzt nicht widerstehen konnte und die Treppe hinaufrief, daß doch seine Frau ein wenig herunterkommen möge. Sie hütete sich aber.
    »So laßt uns zu ihr hinaufsteigen«, rieten arglistig die drei Schnapphähne.
    Sie erhoben sich, der Wirt nahm das Licht und stieg voran die Treppe hinauf, um ihnen zu leuchten und den Weg zu zeigen. Aber die Spitzbuben, die gemerkt hatten, daß die Hoftüre unverschlossen geblieben war, verschwanden leise wie Schatten und ließen es dem Wirt anheimgestellt, sich in der klingenden Münze seiner Frau bezahlt zu machen.

Die Fasten König Franz' des Ersten

     
    Jedermann weiß, durch was für ein Abenteuer der König Franz, der Erste seines Namens, wie ein Gimpel gefangen genommen und in die Stadt Madrid in Spanien abgeführt wurde. Dort hielt ihn der Kaiser Karl als eine Sache von hohem Preis in engem Gewahrsam auf einem Schlosse, wo denn der hohe Herr ewigen Angedenkens viel Pein und Langeweile erdulden mußte, da er, der das Freie und das Freien liebte und jede Art Bequemlichkeit, so wenig dazu gemacht war, in einen Käfig eingesperrt zu sein, als eine Katze, Brüsseler Spitzen aufzuwickeln.

     
    Auch verfiel der König bald in eine so vertrackte Traurigkeit, daß die Mitglieder des Hohen Rats, denen das Wohl des Staates anvertraut war und die ihren König und seine verliebte Komplexion nur allzugut kannten, aus seinen Briefen große Besorgnis schöpften. – Es war das seine Mutter, die Herzogin von Angoulême, dann seine Schwieger, die künftige Königin Cathérine, dann der Kardinal Duprat, auch der Herzog von Montmorency nebst andern Großen des Reichs. Diese berieten
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