Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die drei Ehen der Grand Sophy

Die drei Ehen der Grand Sophy

Titel: Die drei Ehen der Grand Sophy
Autoren: Georgette Heyer
Vom Netzwerk:
betrachtete ihn unlustig. »Was soll ich damit tun?« fragte sie.
    »Wirf ihn ins Feuer«, riet er.
    »Ach nein, das könnte ich nicht, Charles! Vielleicht ist es etwas Besonderes! Übrigens kann er auch eine Botschaft seiner Mutter für mich enthalten.«
    »Höchst unwahrscheinlich, aber wenn du das meinst, solltest du den Brief eben lesen.«
    »Natürlich, ich weiß, es ist meine Pflicht«, sagte sie unglücklich.
    Er setzte eine geringschätzige Miene auf, äußerte aber nichts. Nach kurzem Zögern erbrach sie das Siegel und entfaltete ein Blatt. »Sieh doch, ein Poem!« verkündete sie. »Und wirklich hübsch, muß ich sagen! Hör nur, Charles! ›Wenn deiner Augen mildes Blau, o Nymphe, mein rastlos Herze überglänzt -‹«
    »Vielen Dank, ich finde keinen Geschmack an Versen«, unterbrach Mr. Rivenhall sie ärgerlich. »Wirf es ins Feuer und sage Cecilia, daß sie ohne deine Erlaubnis keine Briefe annehmen darf.«
    »Nun gewiß, aber soll ich es wirklich verbrennen, Charles? Bedenke doch, wenn es die einzige Niederschrift des Poems ist? Vielleicht möchte er es drucken lassen?«
    »Er wird keineswegs solches Zeug über eine Schwester von mir drucken lassen«, sagte Mr. Rivenhall grimmig und streckte herrisch seine Hand aus.
    Lady Ombersley, die stets jedem stärkeren Willen erlag, wollte ihm eben das Blatt reichen, als eine zitternde Stimme von der Tür her sagte: »Nicht! Mama!«

II
    LADY OMBERSLEY LIESS DIE Hand sinken; Mr. Rivenhall wandte sich scharf um, die Stirn gerunzelt. Seine Schwester warf ihm einen Blick bitteren Vorwurfs zu, lief zu ihrer Mutter und sagte: »Gib mir das, Mama! Welches Recht hat Charles, an mich gerichtete Briefe zu verbrennen?«
    Lady Ombersley warf ihrem Sohn einen hilflosen Blick zu, aber er äußerte nichts. Cecilia riß das offene Papierblatt aus den Fingern ihrer Mutter und drückte es an ihren wogenden Busen. Erst diese Geste brachte Mr. Rivenhall zum Sprechen. »Um Gottes willen, Cecilia, kein Theaterspiel!«
    »Wie kannst du dich unterstehen, meine Briefe zu lesen?« fuhr sie ihn an.
    »Ich habe deinen Brief gar nicht gelesen. Ich habe ihn Mama gegeben, und ihr wirst du doch das Recht wohl nicht bestreiten, ihn zu lesen.«
    In ihren sanften blauen Augen schwammen Tränen. »Nur du bist schuld! Mama würde nie – ich hasse dich, Charles! Ich hasse dich!«
    Er zuckte die Achseln und wandte sich ab. Lady Ombersley sagte matt: »So solltest du nicht reden! Du weißt, daß es sich nicht für dich schickt, ohne mein Wissen Briefe anzunehmen. Ich weiß nicht, was Papa davon halten würde, wenn er es erführe.«
    »Papa«, rief Cecilia ärgerlich, »nicht! Nur Charles macht sich ein Vergnügen daraus, mich ins Unglück zu treiben!«
    Er gab ihr einen Blick über die Achsel. »Es wäre wohl unnütz, scheint mir, zu betonen, daß es mein ernster Wunsch ist, dich nicht ins Unglück getrieben zu sehen.«
    Sie erwiderte nichts, faltete den Brief mit bebenden Händen zusammen, schob ihn in den Busenausschnitt und warf Charles dabei einen herausfordernden Blick zu. Und dieser Blick begegnete einem der Geringschätzung; Mr. Rivenhall lehnte seine Schulter gegen den Kaminsims, schob die Hände in die Hosentaschen und wartete mit sardonischem Lächeln auf ihre weiteren Äußerungen.
    Sie aber trocknete nur ihre Augen und suchte ihr Schluchzen zu bemeistern. Cecilia war ein sehr hübsches Mädchen, trug die lichtgoldenen Locken in Ringeln um ihr feingeschnittenes Gesicht, dessen zarter Teint im Augenblick, keineswegs zu seinen Ungunsten, von Zornröte überzogen war. Im allgemeinen zeigte es den Ausdruck liebenswürdiger Versonnenheit, aber die Erregung hatte einen kriegerischen Funken in ihre Augen gezaubert, und sie hatte die Unterlippe zwischen die Zähne gepreßt – das verlieh ihr etwas Leidenschaftliches. Der Bruder, dem dieser Reiz nicht entging, bemerkte spöttisch, sie solle sich angewöhnen, öfter aus der Fassung zu geraten, denn es stehe ihr ganz gut und verleihe ihrem Gesicht, das sonst ganz hübsch, aber ein wenig schal wirke, Leben.
    Diese unfreundliche Bemerkung ließ Cecilia kalt. Es konnte ihr unmöglich entgangen sein, daß sie überall Bewunderung erregte, aber sie war bescheiden, schlug ihre Schönheit nicht hoch an und hätte es bei weitem vorgezogen, wenn sie, der Mode entsprechend, dunkelhaarig gewesen wäre. Sie seufzte, entspannte ihre Lippe, setzte sich neben dem Sofa der Mutter auf einen Schemel und sagte in beherrschtem Ton: »Du kannst nicht leugnen,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher