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Die Drachenschwestern

Die Drachenschwestern

Titel: Die Drachenschwestern
Autoren: Virginia Fox
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wollte.
    „Benimm dich einfach!“, zischte sie dem Drachen leise zu, „ich stelle
dir eine Schale Milch aufs Fensterbrett, das sollte ja genügen.“
    „Mémé? Was ist los? Sprichst du wieder mit deinen Hausgeistern?“,
wollte ihre Enkelin spöttisch wissen.
    „Junge Dame, nicht in diesem Ton. Du bist immer noch meine kleine
Enkelin und es bleibt dir überlassen, nichts von Hausgeistern zu halten. Aber
hier in meinem Reich sprichst du mit Respekt von ihnen. Ich habe nämlich keine
Lust, dass sie sich über dich ärgern und anfangen, Unsinn zu treiben. In
Ordnung?“
    „Ist ja gut“, wehrte Kaja lachend ab und hob versöhnlich die Hände.
Sie wusste ja, wie empfindlich Mémé war, was ihre Rituale anbelangte. Ihre Großmutter
galt im ganzen Umkreis als weise Frau und wurde von allen hoch geschätzt wegen
ihres Heilwissens. Zudem machte sie die besten Duftkerzen weit und breit. Diese
verkaufte sie jeweils freitags auf dem Markt im Dorf. Sie waren beliebte
Touristengeschenke, wurden aber auch von den Ansässigen sehr gern gekauft, weil
diese um die wohltuende Wirkung der reinen ätherischen Öle wussten, die Mémé
bei der Herstellung verwendete. Als Kind hatte Kaja Mémé stundenlang
zugeschaut. Und als sie grösser wurde, viele verregnete Nachmittage dabei
geholfen, die Kräuter zuzubereiten um die kostbaren Öle zu gewinnen, das Wachs
aus Paraffin und Stearin zu mischen und die Kerzen zu gießen. Und in der
Weihnachtszeit kamen noch die sanft riechenden Bienenwachskerzen hinzu, die sie
zusammen in stundenlanger Arbeit in vertrautem Schweigen oder beim Klang von
Mémés Stimme, die alte Märchen erzählte, zogen. Doch von allem anderen, was
ihre Großmutter tat, hatte sie sich immer distanziert. Es reichte schon so,
wenn die anderen im Internat ihr Hexenkind hinterher riefen. Wenn sie jetzt so
zurück dachte, konnte sie nicht einmal mehr sagen, was der Grund gewesen war,
dass die anderen sie so nannten. Sie hatte nur beiläufig etwas erzählt, was sie
in den Sommerferien gemacht hatte. Auf jeden Fall hatte sie danach gut
aufgepasst und immer nur unverfängliche Erlebnisse zum Besten gegeben. Und
wollte auch mit Mémé über nichts mehr sprechen, das man nicht sehen und
anfassen konnte.
    „Also, wieso wusstest du, dass ich komme? Ich wusste es ja selbst
erst, als ich im Auto saß“, ließ Kaja nicht locker. Denn obwohl sie selbst
nichts mit dergleichen am Hut hatte, staunte sie immer wieder über Mémés
sechsten Sinn.
    „Du weißt doch, dass wir eine gute telepathische Verbindung haben.
Wenn du auch mal auf Empfang schalten würdest…“, sie beendete den Satz nicht,
wohl wissend, dass sie damit bei ihrer Enkelin auf taube Ohren stossen würde. Obwohl,
der Drache ist ja offensichtlich wegen ihr hier, dachte sie bei sich, „das kann
ja noch heiter werden.“ Laut sagte sie: „Jetzt komm erst mal richtig an. Ich
habe dir deinen Lieblingskuchen gebacken und das Teewasser sollte jetzt dann
auch heiß genug sein.“
    Sie ging voran in die Küche und Kaja folgte ihr. Sie mussten beide den
Kopf ein wenig einziehen, um den getrockneten Kräutern auszuweichen, welche
fein säuberlich sortiert vom Deckenbalken hingen, um zu trocknen. Die Küche war
das Herzstück des kleinen Bauernhauses. Die Abdeckung war aus gehauenen Granitplatten
gestaltet und bildete einen schönen Kontrast zur Holzeinrichtung. In der Mitte
stand der uralte Holztisch, der überall Spuren seines langen Lebens aufwies.
Diverse Einkerbungen und verblasste Farbtupfer erinnerten an Kajas
künstlerische Eingebungen in der Kindheit oder an ihre ersten Versuche, selbst
Brot mit dem großen Messer zu schneiden. Durch die alten Doppelfenster mit den
Holzstreben schickte die untergehende Sonne, die sich inzwischen wieder hervorgewagt
hatte, ihre letzten Strahlen und zeichnete ein warmes Muster an die Wände. Aus
dem kleinen CD-Player in einer Ecke tönte leise klassische Musik. Mozart,
vermutete Kaja, war sich aber nicht sicher. Zwar gefiel ihr klassische Musik,
sie konnte sie jedoch selten einordnen, wenn sie sie hörte. Zorro lag schon
ganz entspannt zusammengerollt vor dem offenen Kamin.
    Sie ließ sich am Küchentisch nieder und fing an Ria zu streicheln, die
schneeweiße Katze von Mémé, die hoheitsvoll auf den Hund herab blinzelte. Ria
war die Nachfolgerin von Kämpfer, einem getigerten Kater, der rauflustig den
ganzen Hof beherrscht und tyrannisiert hatte. Er war Kajas Schatten gewesen,
als sie noch klein war. Er hatte sie auf allen ihren
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