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Die Drachenschwestern

Die Drachenschwestern

Titel: Die Drachenschwestern
Autoren: Virginia Fox
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sie ihre schwere Tasche auf die Motorhaube und begann, das Durcheinander
darin nach einem Regenschutz zu durchsuchen.
    Der Drache grinste Zorro an, der ihn wütend anblickte. „Ich hab’s dir
doch gesagt, Kleiner – das dauert noch ein Weilchen, bis sie mich sieht.“
    Zorro knurrte zurück: „Nenn mich nicht Kleiner. Und überhaupt, was
schreist du dann ‚Aua’, wenn du weißt, dass sie dich nicht hören kann!“
    „Na hör mal, sie hat meinen Schwanz in der Tür eingeklemmt! Auch wir
Drachen schätzen es, wenn man uns die Tür aufhält“, entrüstete sich der Drache.
    „Scheint ja überflüssig zu sein“, meinte der Hund, „schließlich bist du
jetzt trotzdem draußen.“
    „Klar, ich als höhere Energieform brauche keine Türen – aber bequemer
ist es allemal. Und überhaupt, wenn ich mich darauf einstelle, durch eine Tür
zu gehen und die dann plötzlich zu ist, ist das sehr unangenehm“, lamentierte
der Drache und fing an zu schmollen. Zorro wurde es jetzt definitiv zu blöd,
mit diesem schillernden, blauen Etwas zu diskutieren und beschloss, es Kaja
gleichzutun und den Drachen erst mal zu ignorieren.
    Kaja hatte inzwischen ihre Tasche fertig inspiziert, leider wenig
erfolgreich. Der Regen war stärker geworden und so schloss sie ihre Windjacke
bis zum Hals und versuchte sich einzureden, dass Regen ja bekanntlich schön
machen soll. „Wer sich das ausgedacht hat, muss zu dieser unausstehlichen,
ewigen Positiv-Denker-Vereinigung gehören“, schimpfte sie leise vor sich hin.
„Ich würde gerade liebend gern hässlich und dafür trocken bleiben“, regte sie
sich weiter auf und musste dann plötzlich trotz allem grinsen. Wenn sie es
genau betrachtete, ging es ihr in diesem Moment besser als all die Wochen zuvor
in Zürich. Sie hatte keinen Stress, niemand war da, der ihr sagte, sie müsse
sich beeilen und bitte an die nächste Deadline denken. Die Luft roch nach
feuchter Erde und sommerlich nach frischen, nassen Kräutern und Gras und Zorro
schien sich auch beruhigt zu haben. In eindeutig gehobener Stimmung schulterte
sie ihre schwere, alte Tasche und pfiff Zorro zu sich, der keine Zeit verloren
hatte, auf der Spur einer der zahlreichen Feldmäuse, die Wiese am Straßenrand
umzugraben.
    „Los, Zorro, wir machen uns auf den Weg zu Mémé. Dort warten schon die
Mäuse im Garten auf dich“, rief Kaja und fing an, die Straße entlang zu laufen.
Der Name ‚Mémé’ für ihre Oma stammte aus ihrer Kindheit. Sie hatte als kleines
Mädchen ‚Grandmère’ einfach nicht hingekriegt, und so war es bis heute bei Mémé
geblieben. Zorro warf einen letzten wehmütigen Blick auf sein aktuelles
Mauseloch und beeilte sich dann, sein Frauchen einzuholen. Allerdings nicht
ohne im Vorbeirennen noch schnell den verhassten Drachen anzuknurren, der sich
ebenfalls anschickte, mit ihnen mitzugehen. Offensichtlich plante der Drache
ein Weilchen zu bleiben.

Kapitel 2
    Kaja und Zorro waren erst ein paar Meter weit gekommen, als einige
hundert Meter vor ihnen ein alter Renault um die Kurve bog. Kaja überlegte
kurz, ob sie den Wagen anhalten und um Hilfe bitten sollte, entschloss sich
aber fast im gleichen Moment dagegen. Sie hatte sich jetzt auf die kleine
Wanderung eingestellt und freute sich darauf. Sie richtete ihren Blick wieder
auf den Horizont vor ihnen und versuchte sich zu erinnern, wie weit es noch bis
zur Abzweigung war, von der aus sie querfeldein laufen konnte. Der Renault war
schon an ihnen vorbei gefahren, als das Auto plötzlich langsamer wurde und sie
dann im Rückwärtsgang wieder einholte.
    Das Fenster wurde heruntergekurbelt und eine tiefe Stimme fragte
ungläubig: „Kaja? Bist du das wirklich?“
    Verwundert, ihren Namen zu hören, hielt Kaja inne und drehte sich zum
Auto um, eine Hand an Zorros Halsband, um zu verhindern, dass er quer über die Straße
zum Auto hinlief. „Kennen wir uns?“, fragte Kaja auf Französisch und wischte
sich mit der freien Hand den Regen aus dem Gesicht, um besser sehen zu können.
Im Auto saß ein großer Mann mit dunklen Haaren und gelben Augen, der in dem
kleinen Renault ziemlich schlaksig wirkte.
    Er winkte sie aufgeregt zu sich heran und sagte in bestem
Thurgauerdialekt: „Ja klar, kenne ich dich, Dreckspatz, hast du mich etwa
vergessen?“
    Als sie ihren alten Spitznamen hörte, begann Kajas Gesicht zu strahlen
und sie stürzte auf das fremde Auto zu: „Tim! Was machst du denn hier?“
    In ihrer Teenagerzeit hatte sie alle ihre Ferien bei Mémé
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